SWR1 Begegnungen

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Annette Bassler trifft Anja Reschke, Fernsehjournalistin, Chefin des Politmagazins „Panorama“Anja Reschke copyright NDR/Thorsten Jander

Der „Job“, Journalistin zu sein

Die blonde Moderatorin des ARD- Magazins Panorama fasziniert mich schon lange. Vor drei Jahren- Tausende von Flüchtlingen sind grade in Deutschland angekommen- da hat sie in den Tagesthemen zu bürgerschaftlichem Engagement und Mitmenschlichkeit aufgerufen. Seitdem wird sie mit Hass- und Drohbotschaften überschüttet.

Ich hab gemerkt, dass ich natürlich die Debatte immer weiter anheize, je mehr ich im Fernsehen auftrete. Also jeder Auftritt in einer Talksendung, jeder Kommentar hat natürlich zu weiterer Wut geführt. Und dann gab es schon die Empfehlung auch aus meinem Sender: ja, dann halt dich doch mal ein bisschen zurück aus der Öffentlichkeit.  Und auch ich hab das Gefühl gehabt: Oh, ich muss mich jetzt mal ein bisschen zu Hause verstecken.

Wo sie als Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern sicher genug zu tun gehabt hätte.  

Dann war witzigerweise mein Mann, der gesagt hat: aber das bist du doch gar nicht es ist doch in dir drin, du musst doch jemand sein, der da draußen auch steht. Und dann hab ich auch gedacht: er hat recht. Es ist doch mein Job. Ich bin doch Moderatorin, ich hab ja die erste Reihe gewählt.

Die Propheten des Alten Testaments hätten es „Berufung“ genannt. Eine Antwort auf Gottes Ruf, dem man sich nicht entziehen kann, auch wenn es gefährlich wird. Anja Reschke würde ihren „Job“ nicht mit Gott in Verbindung bringen. Und  trotzdem bleibt sie. Will was bewegen in Zeiten von Fake- News. Auf einer Demo in Berlin ist ihr das beklemmend nah gerückt. Ein Mädchen war verschwunden und viele glaubten, sie sei von Flüchtlingen entführt und vergewaltigt worden. Deshalb haben sie demonstriert, obwohl das Mädchen bereits wohlbehalten von Freunden zurückgekehrt ist.

Und ich erinnere mich an ein Interview mit einer Passantin da.. und dann haben wir zu der gesagt: aber das stimmt doch gar nicht, sie ist doch gar nicht vergewaltigt und entführt worden. Und dann sagte die Frau: Fakten oder nicht, Wahrheit oder nicht ist mir egal, ich glaube das!

Das ist es, was Anja Reschke zu schaffen macht. Diese Art der Spaltung in unserer Gesellschaft. Die einen, die sich um Fakten und Beweise bemühen, bevor sie urteilen. Die anderen, die für wahr halten was sie fühlen. Wie sollen wir unsere großen Probleme angehen, wenn die Basis der Verständigung fehlt? Anja Reschke sucht den Kontakt mit den Anderen.

Ich kriege ja sehr viel Post und ich antworte darauf und oft ergibt sich daraus ein Briefwechsel. Das ist für mich wichtig, weil ich dadurch meine Argumente schärfen kann, überprüfen, vielleicht auch verwerfen. Ich hab dadurch schon viel Verständnis für das, was da passiert. Ich glaube aber, dass die Angst der Leute eigentlich größer ist als die Angst vor Migration oder vor Flüchtlingen

Und diese Art der Angst hat ihren „Job“ und ihre Ziele als Journalistin verändert.

Demokratie mit Leben füllen

Preisverleihung Anja Reschke und Theo KollAnja Reschke ist mit ihren 46 Jahren die jüngste Chefin des Politmagazins Panorama. Ihre Kommentare sind erfrischend klare Ansagen zum Zeitgeschehen. Dafür ist sie jetzt in Mainz mit dem Hildegard-von Bingen- Preis ausgezeichnet worden. Vor dem „who is who“ des deutschen Fernsehjournalismus. Nach der Preisverleihung dankt sie dem Laudator für seine Rede und meint: „Sie machen mich aber größer als ich bin.“ Ganz sachlich sagt sie das, als wolle sie einen Recherchefehler korrigieren. Genauso sachlich ist sie in ihrer Kritik an der eigenen Zunft.

Ich glaube, dass die letzten Jahrzehnte in der Berichterstattung viel so rübergekommen ist so nach dem Motto so „wir erzählen euch jetzt mal, was alles falsch läuft. Guckt mal, die da oben machen das falsch und ihr da unten seid dem ausgeliefert.   

Dadurch, so Reschke, haben Journalisten die Wut der Leute auf die da oben eher verstärkt. Und den Glauben, dass man gegen die eh nichts machen kann.

Das ist glaub ich Unsinn. Ich glaube der Punkt, dass die Demokratie schon mit allen zusammenhängt und auch von den Leuten mitgelebt werden muss, ist etwas, was wir zu wenig beachtet haben.

Und das will sie stärker angehen. Dafür will sie werben. Demokratie muss gelebt werden. Und dafür muss man sich eben schlau machen, komplizierte Zusammenhänge verstehen lernen. Dabei will sie helfen. Verstehen, was mit was alles zusammenhängt. Und sich dann einbringen. Und sich eben nicht ins Private, ins Häusliche zurückziehen. Oder ins Nationale, Völkische. Es weiß doch jeder, dass der Klimawandel samt den wirtschaftlichen Folgen vor keiner Grenze Halt macht. Deshalb geht es darum, sich mehr als Mensch unter Menschen zu verstehen. Und genau dafür findet sie Kirche wichtig.

Gibt ja viele Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, gibt ja auch genügend Gründe dafür, warum man austreten kann. Ich aber halte die Kirche für notwendig, auch in diesem gesellschaftlichen Diskurs, weil ich finde: wer soll denn die moralische Instanz sein, wenn nicht die Kirche. Irgendwo muss diese Instanz da sein, die uns ermahnt und letztendlich ist ja die Kirche nichts anderes, also wenn man sich mal die 10 Gebote anguckt, ist das ja nichts anderes als Regeln von gutem Zusammenleben.

Gutes Zusammenleben ist möglich. Daran glaube ich. Darauf hoffen und daran glauben und nicht zynisch werden. Das ist für Journalisten gar nicht selbstverständlich. Sind sie doch ständig mit der Analyse von Krisen und Katastrophen beschäftigt. Anja Reschke stammt zwar aus einem protestantischen Elternhaus, aber der Glaube an Gott hat für sie persönlich- außer an Weihnachten und Ostern- keine große Rolle gespielt. Trotzdem hält sie sich innerlich dafür offen.

Der Glaube an Gott ist für mich eher der Glaube an irgendwas Gutes, also irgendwas, was auf das Positive und Grundgute zwischen den Menschen gerichtet ist. Und ich glaube:  in Zeiten der Not oder in Zeiten, wenn alles um dich rum versinkt, wirst du dich wahrscheinlich dem zuwenden, ja. Und deswegen suchen Menschen dann Zuflucht in der Kirche, wo soll man auch hingehen?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27480
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