SWR3 Gedanken

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„Die Natur kostet nix“, könnte man meinen, wenn man einen Waldspaziergang macht. Stimmt nur halb. Gott sei Dank muss ich für einen Waldspaziergang noch nichts bezahlen. Aber wenn ich dabei Müll liegen lasse, Blumen pflücke, Insekten totschlage oder das Auto eine Weile auf dem Waldparkplatz laufen lasse, dann richte ich schon einen Schaden an, den man berechnen könnte.

Wissenschaftler haben immer wieder versucht, einen Preis für die Natur zu errechnen. Zum Beispiel der Münchner Professor und Biochemiker Frederic Vester. Er hat den Geldwert eines Blaukehlchen untersucht: Es bekämpft Schädlinge und beruhigt die Menschen wenn es singt.  Rechnet man alles zusammen, dann leistet dieser kleine Vogel im Jahr den Gegenwert von gut 150 Euro. Eine Buche erwirtschaftet in ihrem Baumleben gut 250.000 Euro. Sie reinigt die Luft, spendet Schatten und bietet Heimat für ganz viele Kleintiere, ohne die ein Wald nicht überleben würde.

Bei diesen Rechenspielchen bin ich hin- und hergerissen. Auf der einen Seite bin ich strikt dagegen, dass die Natur durch eindeutige Preise auch noch vom Kapitalismus vereinnahmt wird. Denn was einen Preis hat, kann ich auch kaufen. Auf der anderen Seite ist so eine konkrete Zahl auch gut, um endlich den wahren Wert der Natur zu erkennen. Denn noch bezahlt niemand dafür, wenn er die Luft verpestet, Insekten oder Pflanzen ausrottet oder Regenwürmer zu asphaltiert.

Man hat untersucht, dass keine der 20 größten Wirtschaftsbranchen profitabel arbeiten könnte, wenn sie dafür bezahlen müsste, was sie zerstört. Vielleicht also doch keine so schlechte Idee, wenn an ganz vielen Dingen kleine imaginäre Schilder hängen, stecken oder schwimmen würden: in einem Fluss, am Strand, auf einer Blumenwiese, an einer Schnake oder in einem Steinbruch. Und auf diesen Schildchen sollte neben dem Preis stehen: „Überleg´s dir zwei Mal, ich bin wertvoll!“

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