SWR2 Wort zum Tag

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Hildegard von Bingen. Die Frau überragt viele. Ist bis heute bekannt. Wird auch von denen verehrt, die mit Glaube und Kirche nichts am Hut haben. Kein Wunder, Hildegard, die vor gut neunhundert Jahren in Bingen am Rhein lebte, gilt als Expertin für Kräuter und Hausmittel aller Art. Sie kannte sich in Pflanzenheilkunde aus und stellte Regeln für eine gesunde Ernährung auf. Wissen, das wir heute erst nach und nach wieder entdeckt haben. Hildegard erkannte, dass eine maßvolle und ausgewogene Ernährung für Körper und Seele wichtig ist. Sie wusste aber auch, dass zu einem guten und gesunden Leben der Wechsel von Ruhe und Aktivität sinnvoll ist. Und ihr war klar, dass gesund Essen und Leben auf mehr beruht, als nur auf guten Lebensmitteln. Andere lieben, hoffen auch in schwierigen Lagen, singen und Musik machen, beten und meditieren – all das gehörte für Hildegard zu einem gelingenden Leben dazu.

Ironie der Geschichte: Hildegard war selbst immer wieder krank. Teilweise konnte sie kaum einen Schritt vor den anderen setzen. Sie hatte häufig so starke Sehstörungen, dass sie kaum etwas sehen konnte. Doch sie ergab sich nicht ihrem Schicksal. Forschte über Heilpflanzen und schrieb theologische Bücher. Obwohl sie zurückgezogen auf dem Rupertsberg bei Bingen lebte, hatte sie offene Ohren und Augen für die Welt. Täglich pilgerten Menschen zu ihr, wollten ihren Rat. Täglich erreichten sie Briefe aus aller Welt. Sogar Kaiser Friedrich Barbarossa suchte das Gespräch mit ihr.

Warum? Ich glaube, weil Hildegard groß vom Menschen dachte. Ihr Credo: Der Mensch ist als Gottes Ebenbild geschaffen. Er ist frei. Und jeden Tag hat er die Möglichkeit sein Leben so zu gestalten, dass seine Gottesebenbildlichkeit zu Tage tritt.

Und so tritt Hildegard auch immer wieder für andere Menschen ein. Unterschiede zwischen Mann und Frau kennt sie nicht. Und als ihr der Bischof von Mainz verbietet, einen Adeligen, der mit der Kirche im Clinch lag, zu beerdigen, da setzt sie sich einfach darüber hinweg. Sie schreibt dem Bischof: Jeder Mensch hat das Recht auf Gerechtigkeit.

Ihre Suche nach äußerer und innerer Heilung ist auch von diesem unbedingten Glauben an den Menschen getragen. An einen Menschen, der gesund werden soll: An Körper, Geist und Seele. Daran denke ich heute, an Hildegards Gedenktag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27196
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