Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Heute vor 62 Jahren kam der Film „Der Hauptmann von Köpenick“ mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle in die Kinos. Ich bleibe deshalb daran hängen, weil für mich in diesem Film eine der besten schauspielerischen Leistungen geboten wird, die ich aus dem Kino kenne.

Der Schuster Wilhelm Voigt ist nach seiner Haft bei seiner Schwester und deren Mann Friedrich untergekommen. Nach der Beerdigung von Lieschen, die auch im Haushalt gewohnt hat, sinniert Voigt über sein verkorkstes Leben:

„Und denn, denn stehste vor Gott, dem Vater, ….und der fragt dir, ins Jesichte: Willem Voigt, wat haste jemacht mit deine‘ Leben. Und da muss ick sagen: Fußmatten, muss ick sagen, die hab ick jeflochten im Jefängnis. …. Det sachste vor Gott, Mensch. Aber der sacht zu dir: Jeh weck, sacht er! Ausweisung! Sacht er. Dafür hab ick dir det Leben nicht jeschenkt! Sacht er. Det biste mir schuldig. Wo is et? Wat haste mit jemacht?“

Ich habe diese Szene schon oft gesehen. Rühmann spielt sie so intensiv, dass ich bis heute immer einen Kloß im Hals spüre und am liebsten in den Film hinein klettern möchte. Dann würde ich den kleinen Mann an den Schultern packen und sagen: „Nee Willem Voigt, so ist Gott nicht. Der gibt dir deine Chance, auch wenn dein Leben bis heute völlig verkorkst verlaufen sein sollte. Der lässt dich nicht fallen, bei dem haste immer eine Chance.“

Ja ich weiß, das ist reine Glaubenssache. Und die Bibel kennt ja auch den Gott, der zornig ist, straft und richtet. Aber genauso kennt sie den verzeihenden und gütigen Gott. Und von einer Grundüberzeugung komme ich nicht los: vor Gott ist der Mensch mehr wert als die Summe seiner Leistungen. Egal ob er Fußmatten geflochten oder Firmen gegründet hat. Der nimmt jeden in den Arm, in der Bibel den verlorenen Sohn, im wahren Leben Menschen wie Sie und mich und im Film den „Hauptmann von Köpenick“.   

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27031
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