Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Notfallseelsorge. Das ist Beistand in ganz schlimmen Momenten. Ein paar Wochen im Jahr mache ich da auch mit. Und habe schon manches erlebt.

Eine Frau zum Beispiel hat in der Wohnung ihrer Mutter gesessen, ganz hilflos und neben sich. Auf ihr Türklingeln hatte niemand aufgemacht. Sie hat den Notruf gewählt, Blaulicht ist gekommen – und ihre Befürchtung wurde wahr: Die Mutter ist tot. Aus heiterem Himmel, einfach so.

Jetzt hat die Tochter da gesessen. Man hat gespürt: Sie bekommt gar nicht richtig mit, was passiert. Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei haben ihre Arbeit gemacht. Irgendwann war dann alles erledigt – und die Helfer mussten rasch weiter zum nächsten Einsatz. Früher sind die Angehörigen dann oft alleine zurückgeblieben. Niemand war so richtig für sie zu­ständig. Oft hat sich ihre persönliche Krise dadurch noch verschärft, und die Trauer wurde noch schwerer. Denn auch die Seele braucht Erste Hilfe.

Inzwischen gibt es bundesweit die Notfallseelsorge. Dort machen Kirchenleute mit, so wie ich, aber auch Menschen aus anderen Berufsgruppen. Zum Beispiel ein Informatiker aus dem Nachbarort. Er und seine Frau haben vor einigen Jahren plötzlich ihren Sohn verloren – und damals keine hilfreiche Unterstützung erlebt. Ob jemand katholisch oder evangelisch ist, ist übrigens nicht entscheidend, und auch Muslime gehören inzwischen zum Team.

Wenn wir zu einem Einsatz gerufen werden, bringen wir vor allem eins mit: Zeit. Wir sind einfach da. Wir halten alle Gefühle aus, die da hochkommen. Manchmal halten wir auch eine Hand. Meistens braucht es nicht viele Worte, und schon gar keine klugen Sprüche. Wir helfen den Angehörigen bei den nächsten praktischen Schritten: Wer ist jetzt zu informieren? Wer schaut nach den Kindern und Nachbarn? Was passiert bis zum nächsten Tag? Wir vermitteln Kontakt zu Hilfsangeboten in der Region. Und auf Wunsch überlegen wir auch, wie man von einem toten Menschen Abschied nehmen kann.

Die Einsatzorte in der Notfallseelsorge sind unterschiedlich. Manchen Menschen passiert ja auch unterwegs Schlimmes. Und auch für Rettungskräfte sind wir anschließend da. Denn für die ist so ein Einsatz ja auch nicht leicht. Da kann man nicht immer gleich zur Tagesordnung übergehen.

Für die Frau, die ihre Mutter verloren hat, bleibt es ein schwerer Weg. Aber auf dem ersten kleinen Stück konnte ich sie begleiten. Als Christ glaube ich: Unser Gott steht an der Seite der Opfer. Er geht auch dort mit hin, wo alles zusammenbricht. Auch Jesus ist dem Tod ja nicht ausgewichen, sondern hat ihn auf sich genommen. So war er ganz nah bei seinen Menschen. Und das geschieht bis heute. Zum Beispiel in der Notfallseelsorge.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26803
weiterlesen...