Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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 Hugo und Luis haben als Landarbeiter in Kolumbien gelebt. Sie haben gelebt, denn beide wurden von Unbekannten erschossen. Hugo am 2. Mai und Luis am 8. Wie kam es dazu?

Am Cauca-Fluss wird gerade ein umstrittenes Entwicklungsprojekt realisiert: ein Wasserkraftwerk, für das ein riesiger Stausee mit einer 225 Meter hohen Mauer gebaut wird. Für die Regierung ist es ein Prestigeprojekt. Für die Anwohner heißt das: Ihre Lebensgrundlage wird zerstört und damit auch ihre Kultur. Sie sind die Betroffenen, aber sie werden nicht informiert und schon gar nicht gehört. Deshalb haben sie sich zusammengeschlossen und zu Tausenden gegen den Megadamm protestiert. Auch Hugo und Luis. Der Mord an ihnen sollte die anderen warnen: so geht es denen, die die Pläne der Mächtigen stören.

Kolumbien steht für viele Länder. Und Hugo und Luis stehen für viele Menschen, die ihr Leben riskieren, damit die Erde nicht auf Teufel komm raus ausgebeutet, geplündert, vergiftet wird. „Märtyrer der Erde“, nennt sie Papst Franziskus. Er hat in einem Lehrschreiben[1] die Zusammenhänge klar benannt. Luftverschmutzung, Klimawandel, Artensterben sind die eine Seite des Problems, quasi die Vorderseite. Aber es gibt auch eine Rückseite, und die heißt: Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Verantwortungslosigkeit. Ein wirklich ökologischer Ansatz sei deshalb auch immer ein sozialer Ansatz. Es gehe darum, „die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde", so sagt der Papst. 

Und was macht das mit mir, wenn ich diese doppelte Klage ‚höre‘? Ich verstehe dann, dass mein Schnäppchenurlaub in die Karibik mit der Erderwärmung zu tun hat und zugleich mit den Menschen, die dort für mich arbeiten. Und bei dem supergünstigen T-Shirt muss ich auch an vergiftete Baumwollfelder denken und an die Näherinnen, die wie Arbeitssklaven gehalten werden.

Das macht mich oft ratlos, denn ich weiß ja, dass ich als kleines Rädchen in dem Getriebe da nicht sehr viel ändern kann. Aber ich verbiete mir diesen Gedanken. Ich denke dann an Hugo und Luis und all die vergessenen „Märtyrer der Erde“, die zugleich „Märtyrer der Gerechtigkeit“ sind.

Das bin ich ihnen schuldig, wenigstens das. Nicht nur heute, am Weltumwelttag.


 

[1] Laudato si – Über die Sorge für das gemeinsame Haus, 2015

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26589
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