SWR2 Wort zum Tag

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Es gibt ein Musikstück, das heißt „4´33“. Schön an der Komposition ist, dass jeder sie spielen kann. Man braucht dazu nur irgendein Musikinstrument und eine Stoppuhr.  Das Stück dauert nämlich genau 4´33´´ - also 4 Minuten und 33 Sekunden - und besteht aus nichts weiter als aus Stille. 4 Minuten und 33 Sekunden lang passiert gar nichts. Obwohl – so kann man das nicht sagen, denn während viereinhalb Minuten Stille kann sehr viel passieren.

Das Stück stammt von einem ziemlich exzentrischen Künstler aus den USA, John Cage. Er ist 1992 gestorben und hat nicht nur komponiert, sondern er war auch Aktionskünstler, hat Häuser entworfen, gemalt und war Pilzkenner.

Das Stück „4´33“ wurde schon oft aufgeführt, erstmals 1952. Die Uraufführung war ein Skandal, weil sich das Premierenpublikum verschaukelt gefühlt hat. Später wurde es in Flughafenhallen und sogar im Radio gespielt. Allerdings mussten zuvor die Notfallsysteme abgeschaltet werden, die nach ein paar Sekunden ohne Signal automatisierte Störmitteilungen senden. Auch Harald Schmidt und Helge Schneider haben die Komposition schon zum Besten gegeben: vierhändig am Flügel. Aber wie gesagt: ohne einen Ton zu spielen.

Der Reiz bei der Komposition liegt darin, auf die Stille zu hören. John Cage hat dazu gesagt: „Das Stück hört sich jedes Mal anders an, weil es andere Räume mit anderen Hintergrundgeräuschen gibt.“ Die Idee zu der Komposition hatte John Cage als er einmal in einen schalltoten Raum kam. Dort hat er zwei Töne wahrgenommen, einen ganz hohen und einen brummenden tiefen. Der Tontechniker hat ihm erklärt: „Der hohe – das ist ihr Nervensystem, Herr Cage. Der tiefe ist das Blut, das in den Adern fließt.“ Deshalb hat John Cage „4´33“ komponiert. Ein Stück, das die Zuhörer auf sich selbst zurückwirft.

Viele Menschen versuchen, Stille zu übertönen, weil sie nicht gerne mit sich alleine sind. Andere suchen die Stille geradezu, um besser auf sich und auch auf Gott hören zu können. Stille hilft ihnen dabei, Entscheidungen zu treffen. Und wer gut mit sich selbst in Kontakt ist, der ist es oft auch mit anderen Menschen.

Stille ist eine Herausforderung, weil ich auf mich selbst zurückgeworfen werde: Nur ich, mein Blutkreislauf, mein Nervensystem, meine Gedanken. Sonst nichts - nichts als Stille.

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