SWR1 Begegnungen

SWR1 Begegnungen

Ich treffe den Sänger Derrick Waluube im Tonstudio in München. Mit drei Jahren flieht er aus Uganda nach Deutschland, wächst hier in München auf und wird gemeinsam mit Musikern aus den USA und Bosnien Mitglied in der Band „One world project“. Einem Musikprojekt, in dem die Weltstadt München hörbar wird. In seinen stylishen Klamotten und mit seiner aufrechten Haltung wirkt er wie einer, der angekommen ist. Doch immer wieder bekommt er zu spüren: nicht alle freuen sich über seine Ankunft. Schon in der Schule konfrontiert die Mathelehrerin die Mutter beim Elternsprechtag mit einer heftigen Ansage: 

Eine Lehrerin, die damals meiner Mutter gesagt hat: Ja, wenn der – ich hatte in Mathe immer ne 2 oder 3 ,was für mich ok war,
ich bin ja kein Mathegenie, aber sie war eine Mathelehrerin und hat dann gesagt: Wenn ihr Sohn sich nicht verbessert in Mathe, dann hat er in dieser Schule nichts zu suchen, dann soll er zurück nach Afrika.

Doch Derrick bleibt und tritt die Flucht nach vorne an. Macht Abitur und Zivildienst, fühlt sich „dahoam“ in seinem München. Mit Lederhosen und Bayerntrikot ist er deutscher, als manches Münchner Kindl. Die Hautfarbe spielt bei Heimatgefühlen für ihn keine Rolle, wenn er von seinem Münchner Lieblingsort schwärmt:

Die Isar im Sommer ist unbezahlbar, so mit Freunden treffen an der Isar und auch nix vorhaben einfach nur an die Isar legen ist immer cool. 

Heimat und Halt ist für den 29-Jährigen aber auch sein Glaube. Derrick beginnt seine musikalische Laufbahn in einem Gospelchor. Gospel ist für ihn Gebet und  das bedeutet ihm viel:   

Ich bin gläubig und für mich ist das wichtig, dass ich irgendwie zu jemandem reden kann, der versteht was ich will oder wer ich bin, und was ich durchmache – oder zumindest , dass ich glaube, dass er versteht was ich durchmache – und dass ich mich mitteilen kann. Aber gleichzeitig hab ich auch das Gefühl, dass ich gehört werde, also es ist  nicht so, dass ich irgendwie ins Leere bete, und „gut, jetzt hab ich´s mal gesagt“, sondern ich hab das Gefühl, es wird auch gehört und das macht dann auch was mit mir und das verändert mein Leben dann auch.

Und prägt seine Lieder. In einem der Songs heißt es: „Jeder ist sich selbst der Nächste, in der der Bibel steht es anders.“ Nächstenliebe ist seine Antwort im Umgang mit Flüchtlingen: 

Ich finde das auch in gewisser Weise eine Beleidigung für das Christentum zu sagen, das ist ein abendländisch-christliches Land, […] aber die andern sollen bleiben wo der Pfeffer wächst, also das finde ich kann man nicht vereinen, diese Haltungen mit dem christlichen Glauben. 

Derrick Waluube fordert aber auch Veränderungen in der weltweiten Politik. Viele reden derzeit davon „Fluchtursachen“ zu bekämpfen. Der gebürtige Afrikaner macht es konkret: 

Man sollte aufhören den afrikanischen Boden auszubeuten mit Deals die nur für eine Partei funktionieren und für die andere nicht, so dass die Leute wirtschaftlich überhaupt die Möglichkeit haben, sich was aufzubauen und man sollte auch aufhören mit Waffenexporten. 

Gesang statt Gewehre – das ist Derrick Waluubes Ansatz. Wie der Sänger mit seiner Musik das Leben von Kindern und Jugendlichen hier bei uns verändert, hören Sie nach dem nächsten Titel.

 -Musik- 

Zu Besuch beim Münchner Sänger Derrick Waluube. Er arbeitet für eine Stiftung, die sich um Kinder aus sozialen Brennpunkten in München kümmert. Mit denen singt und musiziert er. Und legt vor allem eines in seine Musik: Seele! Und deshalb erreicht der Musiker auch die Seelen von Kindern und Jugendlichen, denen er Selbstvertrauen schenken will: 

Viele Kinder kommen aus schwierigen Verhältnissen, also aus Misshandlungen oder Kinder aus Mutter-Kind Heimen und die sind natürlich dementsprechend verschlossen oder haben irgendwie auch die ein oder andere traumatische Geschichte hinter sich und da hilft eigentlich Musik auch pädagogisch, es ist irgendwie so eine Art Seelenheil. Anfangs sind sie noch verschlossen, aber mit der Zeit können sie sich dann ausdrücken und wissen: Ok, ich kann was! 

Diese Erfahrung macht auch Derrick Waluube selbst als Jugendlicher. Er begeistert andere mit seiner Stimme und bringt sich selbst Instrumente bei. Er ist ein musikalisches Multitalent: arrangiert, textet, produziert. Seine Musikschüler profitieren von seinen Erfahrungen. Sie kommen aus Afghanistan, afrikanischen Ländern und Deutschland. Wird er auf seiner Suche  nach Talenten fündig?

Ja logisch! Da gibt’s auch wahnsinnig gute Kids, wahnsinnig talentierte Kinder, an Instrumenten  oder gesanglich oder rhythmisch, da ist vielmehr rauszuholen, als man auf den ersten Blick sieht. Und das finde ich meistens total spannend. Da kommt ein Kind und gibt keinen Mucks von sich und dann vergeht ein Jahr und das Kind, das ist auf einmal total euphorisch und du hast das Gefühl, dass kann mit der ganzen Kreativität gar nicht umgehen, die auf einmal raussprudelt und das ist schon sehr faszinierend zu sehen. 

Die Band „One World project“ geht auch auf Tour, um Kindern Mut zu machen: Zuletzt waren sie in Sachsen unterwegs, um Kinder mit Wurzeln in verschiedensten Ländern wachsen zu lassen – musikalisch und menschlich. Die Bandmitglieder sind überzeugt: Nur in Gemeinschaft und Begegnung bewegt sich was.

Sehr bewegend ist auch das Lied „Irgendwo in Afrika“. Als die Band es bei einem Konzert mit Konstantin Wecker singt, reagiert das Publikum mit Standing Ovations. Derricks Augen leuchten, wenn er das erzählt.  Den Refrain des Liedes singt er mir in seiner Muttersprache Luganda vor und übersetzt ihn ins Deutsche. Er will darin allen eine Stimme geben, die - wie er selbst vor vielen Jahren- in eine bessere Zukunft unterwegs sind: 

Weine nicht, Mama - also es ist praktisch so die Geschichte von jemand der geht -  weine nicht Mama, sie werden uns aus der Dunkelheit holen, ich werde für dich sorgen, wir beten zu Gott, dass er uns durchs Meer bringt, auch wenn sie mit Steinen auf uns werfen, wir werden schon auf uns aufpassen und kommen wieder heim.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26133
weiterlesen...