SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Ich möchte Ihnen heute Morgen erzählen, wie das bei meiner Freundin Inga war. Inga hat einen tollen Beruf. Sie bereist die ganze Welt. Wenn sie im Büro kreative Ideen hat, dann werden die übernommen. Immer wieder schickt sie Fotos per E-Mail an ihre Freunde. Auf denen schaut sie selbstbewusst und fröhlich in die Kamera. Manchmal ist es fast ein bisschen unheimlich: So ein tolles Leben! Und ab und zu denke ich: Inga lebt voll auf der Sonnenseite.

Aber es gab auch andere Zeiten. Ich erinnere mich: Inga war bis vor 10 Jahren überhaupt nicht selbstbewusst! Kreativ war sie damals schon, ja. Aber: Keine ihrer Ideen und Gedanken sind ihr wertvoll vorgekommen.

Jeden Freitag haben wir bis tief in die Nacht ihre Pläne besprochen. Das war immer nach Feierabend, nach dem Jobben. Inga hat dann zum Beispiel gesagt: „Am liebsten würde ich Kunst studieren. Oder nein: Noch lieber würde ich Architektur studieren.“ Eine Woche später hat sie dann neue Pläne mitgebracht. Plötzlich wollte sie Flugbegleiterin werden. Wieder eine Woche später hat sie sich ein Leben als Romanautorin vorgestellt.

Was sollte ich tun? Ich habe zu jedem Vorschlag gesagt: „Das ist eine gute Idee!“ Auch, wenn ich manche Idee überhaupt nicht gut gefunden habe. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl: Jemand muss sie an die Hand nehmen. Damit sie nicht den Halt verliert. Ich habe das wenigstens einmal in der Woche versucht.

Damals hat mir Inga sehr leid getan. Ich habe gedacht: Was lastet sie sich da auf, wenn sie denkt, jetzt alles alleine schaffen zu müssen?
Einige Zeit später hat Ingas Cousine geheiratet. Ich habe Inga zu dieser Hochzeit begleitet. Ein bisschen Sorgen hatte ich natürlich. Wie würde das werden? Zwei Menschen versprechen einander, gemeinsam durchs Leben zu gehen. Genau das also, was Inga gefehlt hat.

Dann waren wir in der Kirche. Besonders gut haben wir das Fenster im Chorraum der Kirche gesehen. Zu sehen war Jesus. Er hat freundlich gelächelt und die Arme ausgebreitet. Ich fand: Er hat für eine positive Stimmung in der Kirche gesorgt. Diese positive Stimmung hat auch Inga gespürt. Wie positiv sich dieses Bild von Jesus auswirken würde, hätten allerdings Inga und ich nicht erwartet.

Inga wird an die Hand genommen

Nach dem Gottesdienst hat Inga vor der Kirche zu mir gesagt: „Ich habe die ganze Zeit auf das Fenster mit Jesus geblickt. Und da habe ich gemerkt: Gott begleitet mich auf meinem Weg. Ich habe viele, viele Möglichkeiten. Und Gott wird mich schon das Richtige finden lassen.“ Ich habe nichts geantwortet. Aber das war auch gar nicht nötig. In diesem Moment hat es nämlich begonnen, dass Inga zuversichtlicher und selbstbewusster geworden ist.

Immer, wenn ich Inga heute treffe, muss ich an diese Geschichte denken. Sie erinnert mich daran, dass Gott uns nah ist. Obwohl Inga gar nicht mit ihm gerechnet hat, hat er ihr weitergeholfen. Inga konnte endlich eine Entscheidung treffen: Doch Architektur. Einfach, weil sie wusste: Wenn das der falsche Weg ist, dann wird Gott mir einen neuen anbieten. Es war aber der richtige Weg!

Für mich ist diese Geschichte deshalb immer auch ein Hinweis auf Jesus. Der hat einmal zu seinen Jüngern gesagt: Ich bin bei Euch alle Tage. Denen ist es damals ähnlich zu Mute gewesen wie Inga. Sie haben auch nicht gewusst, welche Wege sie gehen sollen. Jesus hat ihnen mit seinen Worten Mut gemacht, sich auf den Weg zu machen. Sie wären ja nicht allein. Gott begleitet sie.

Inga hat das in der Stunde in der Kirche mit dem Bild von Jesus gespürt. Manche spüren Gottes Begleitung in einem guten Gespräch. Oder wenn ein anderer sie buchstäblich an die Hand nimmt. Oder wenn jemand sie bittet: Hilf mir, ich brauche Dich. Wo Menschen so etwas begegnet, da stimmt noch, was Jesus gesagt hat: Ich bin bei Euch alle Tage.

Das sind alles Beispiele, in denen einer für den anderen die Arme offenhält wie Jesus auf dem Kirchenfenster. Es sind Beispiele, die ausdrücken: Du musst es nicht alleine schaffen. Mit Inga habe ich erlebt: So finden Menschen den Weg, den sie gehen können. Denn Gott begleitet sie. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete und begleitete Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26104
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