SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Auf der Bühne meines Lebens

„Gott spielt keine Rolle in meinem Leben.“ Ich kenn diesen Spruch schon länger und hab ihn neulich wieder mal auf einem T-Shirt gelesen. Er berührt mich immer wieder neu. Gott spielt in meinem Leben keine Rolle. Ich glaube, das ist wirklich oft so.

Die Hauptrollen auf der Bühne meines Lebens sind gut besetzt; auch ohne Gott. Durch Personen, die mir nahe stehen zum Beispiel, die mich prägen oder geprägt haben – auch wenn sie mittlerweile vielleicht von der Bühne abgetreten sind. Dazu gehören die Familie, Freunde und Kollegen. Die Hauptrollen sind aber auch besetzt durch das, was mir besonders wichtig ist: Projekte zum Beispiel, an denen ich gerne arbeite, oder Dinge, die mich interessieren. Auch die Nebenrollen sind vergeben, manchmal schneller als mir das lieb ist: durch das, was ich tun muss, oder durch Menschen, die auftauchen, etwas von mir wollen und mich auf Trab halten. Für Gott bleibt da kaum Spielraum: er kommt vielleicht noch vor, wenn ich den Gottesdienst mitfeiere, wenn ich bete oder eine Erzählung aus der Bibel höre, die mich anspricht. Sonst aber nicht.

Ich arbeite viel, schaue, dass ich genügend Zeit für meine Familie, für mich oder das habe, was sonst noch so ansteht. Das ist nichts, was die Welt bewegt, und wahrscheinlich ist es viel zu banal, zu alltäglich, als dass Gott da eine Rolle spielen könnte.

Wer jenes T-Shirt schon mal gesehen hat, weiß, dass der Spruch noch weitergeht: „Gott spielt keine Rolle in meinem Leben“, steht auf der Vorderseite – und hinten drauf: „Er ist der Regisseur.“ Das überrascht vielleicht, aber ich finde die Vorstellung ganz interessant. Im Theater bleibt der Regisseur ja meistens unsichtbar. Und doch gibt es ihn. Er spielt keine Rolle auf der Bühne, weil er das ganze Stück überblicken muss. Und das kann er nun mal von außen viel besser als jeder, der mitspielt und selber auf der Bühne steht. Ein Regisseur fordert seine Schauspieler heraus, indem er ihnen immer wieder neue Rollen zuteilt. Manchmal solche, die ihnen liegen und in denen sie zeigen können, was in ihnen steckt. Ein andermal solche, an denen sie wachsen müssen, ja, vielleicht sogar über sich hinaus. Er bringt die vielen Haupt- und Nebenfiguren so zusammen, dass sie sich gegenseitig ergänzen, sich entfalten und ihre jeweilige Rolle mit Leben füllen können. Das zeichnet ihn aus.

„Gott spielt in meinem Leben keine Rolle. Er ist der Regisseur.“ Dieser Gedanke spricht mich an, denn ein Regisseur kennt seine Leute. Er weiß, was er mir zumuten kann und womit er mich überfordert. Er hat den Überblick und das macht es mir leichter, die Rollen anzunehmen, die ich ausfüllen und gestalten soll. Ich darf Gott vertrauen, auch wenn mir meine Rolle mal nicht gefällt oder ich mich nur schwer in sie reinfinde, weil ich keinen Sinn in ihr sehe. Schließlich sollte der große Regisseur doch wollen, dass das Stück meines Lebens gelingt.

Wenn Gott die Regie übernimmt

„Gott spielt in meinem Leben keine Rolle. Er ist der Regisseur.“ Über diesen Spruch habe ich mir eben meine Sonntagsgedanken gemacht. Gott gibt mir die Rolle meines Lebens. Aber was dann? Muss ich alleine damit klar kommen – oder greift er auch mal ein?

Die Bibel erzählt von Leuten, bei denen Gott sehr deutlich Regie geführt hat: von Mose, Elija und Jesus zum Beispiel.

Mose wird von Gott beauftragt, Israel aus der Sklaverei zu führen. Kein leichter Job. Dementsprechend druckst er herum: „Herr, sie werden mir nicht glauben. Und überhaupt: Ich kann nicht gut reden, geschweige denn überzeugen. Nimm doch einen anderen.“ Aber für Gott ist klar: Mose ist der richtige Mann.

Der lässt sich schließlich auch drauf ein und bekommt Unterstützer zur Seite: sein Bruder Aaron steht ihm bei, und sein Schwiegervater Jitro berät ihn. Das stärkt Mose und er wächst über sich hinaus: Erst verhandelt er knallhart mit dem Pharao, dann führt er das Volk trotz großer Mühen in die Freiheit.

Der Prophet Elija hingegen schlägt sich eher als Einzelkämpfer durch. Er versucht, in Israel den rechten Glauben durchzusetzen, macht sich damit aber keine Freunde. Eines Tages erfährt er, dass es ihm an den Kragen gehen soll, und taucht erst mal unter. Elija ist ziemlich am Ende, fast depressiv. Er hockt in einer Höhle und klagt: „Ich bin für Gott eingetreten. Nun bin ich allein und sie trachten mir nach dem Leben.“ Elija ist erschüttert; der Boden unter seinen Füßen wankt. Erst als es wieder ruhiger wird, hört er ein leises Säuseln im Wind. In dieser Stille spricht Gott zu ihm, gibt ihm eine neue Perspektive und motiviert ihn weiterzumachen. Mit Erfolg.

Mose und Elija vertrauen auf Gott. Das zeichnet sie aus. Genau wie Jesus, der selbst im Tod noch darauf hofft, dass Gott ihm hilft. Diese drei sind Paradebeispiele dafür, wie Menschen sich von Gott führen lassen. Allerdings nicht blind. Sie wenden sich auch mal kritisch an den großen Regisseur: Mose wehrt sich dagegen, seinen Auftrag anzunehmen. Elija will nicht mehr weitermachen. Und selbst Jesus hadert am Kreuz: mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Genau deshalb finde ich die drei so sympathisch. An der Regie zu zweifeln, das kenne ich doch auch von mir: Manchmal weiß ich nicht, wie und wo ich anfangen soll, bin frustriert, mutlos oder komplett unsicher, ob Gott überhaupt noch da ist.

Wenn ich zurückschaue, wie diese Situationen jeweils bei mir ausgegangen sind, dann ist das ein bisschen wie bei Mose und Elija: Auch mir haben schon Leute unerwartet beigestanden, wo ich überfordert war. Menschen sind auf einmal aufgetaucht, die mir gut getan haben. Neue Perspektiven haben sich eröffnet, als ich bewusst in mich gegangen bin. Und es hat sich schon oft etwas als gut erwiesen, was mich zunächst aus der Bahn geworfen.

Ich kenne auch das Gefühl, dass Gott manchmal die Hände in den Schoß legt, abwartet und mich einfach machen lässt. Aber ich glaube, er ist trotzdem da. Wenn mir mein Leben über den Kopf wächst, dann greift er schon mal ein, besetzt Rollen neu oder flüstert mir etwas zu – ein bisschen so wie damals bei Mose und Elija.

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