SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

(GL 840 – Eigenteil Freiburg / GL 852 – Eigenteil Mainz)

Nikolaus von der Flüe hat vor sechshundert Jahren in der Schweiz gelebt. Bekannt ist er vielen auch unter dem Namen Bruder Klaus. Nikolaus von der Flüe war wohlhabend, hatte eine Frau und zehn Kinder. Und damit nicht genug: er war außerdem intelligent, erfolgreich und beliebt. Und dennoch gerät er mit fünfzig in eine tiefe Sinn- und Lebenskrise. Er ringt mit sich, betet und verlässt dann seine Familie, um sich in die Einsamkeit zurück zu ziehen. Was vorher war, scheint nicht mehr wichtig zu sein.

Es ist etwas Innerliches, was Nikolaus von der Flüe antreibt. Er will eins mit Gott werden. Nichts soll ihn mehr ablenken. Seine ganze Kraft will er einsetzen, um sich auf Gott auszurichten. Seine Frau spürt das und stimmt schließlich seiner neuen Lebensform zu.

Mit dem Wunsch ganz mit Gott zu verschmelzen, gehört Nikolaus von der Flüe zu den Menschen, die man als Mystiker bezeichnet. Menschen, die sich in jedem Augenblick Gott anvertrauen möchten und die alle inneren Antennen ausfahren, um für Gott empfänglich zu sein. In einem Gebet drückt Nikolaus von der Flüe diese innere Sehnsucht in wunderbaren Worten aus:

Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich führet zu dir.
Mein Herr und mein Gott, o nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.
 

„Mein Herr und mein Gott“ – gleich dreimal wird Gott so angesprochen. Ganz direkt und persönlich. Und die Anrede macht deutlich: da gibt es eine Instanz über mir – aber eine, die mich nicht klein macht, sondern auf die ich mich verlassen kann.

Und deshalb bittet er Gott: nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Das Trennende – das sind für mich die Momente, in denen ich das Gefühl habe, nicht zu genügen. Ich an mir zweifle, unzufrieden bin und auch ungeduldig mit anderen werde. Und Nikolaus von der Flüe bittet noch weiter: gib alles mir, was mich wieder zu Dir, zum Leben führt: ein offenes Herz für die Menschen um mich herum. Vor allem aber, dass ich mich daran erinnere, dass es Größeres gibt als das, was mich gerade beschäftigt. Gott kann mein Leben zum Guten führen, auch wenn ich nicht weiß, wie.

Und darum klingt der Schluss des Gebetes für mich so: Mein Gott, nimm mich mir. Mach mich frei von dem, was mich belastet und mein Leben einengt. Dir kann ich mich öffnen, so wie ich bin, mit dem, was mich einzigartig und wertvoll macht und auch mit dem, was ich an Fragen und Zerbrochenem mit mir trage. Und dann kann ich Deine Nähe in meinem Leben spüren.

Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich führet zu dir.
Mein Herr und mein Gott, o nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

Angaben zur Aufnahme:

„Mein Herr und mein Gott“

Musik: Josef Gallus Scheel (1941)

Text: Gebet des hl. Bruders Klaus (1417-1487)

Aus: CD »Singt Gott den neuen Lobgesang 2«. Hrsg. vom Institut für Kirchenmusik des Bistums Mainz (ohne Bestell- oder CD-Nummer)

Kammerchor der KHG Gießen und Chor „um Himmels Willen“, Ltg. Ralf Stiewe

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25928
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