SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Teil1

Heute hat der Papst Geburtstag. Geburtstag und Weihnachten fallen für ihn fast zusammen. Manchen ist das wohl so egal, wie wenn ein Politiker Geburtstag hat - oder ein Popstar, oder halt irgendwer. Andere regen sich schon auf, wenn sie nur das Wort „Papst“ oder „Kirche“ hören. Aber wer sich Papst Franziskus mal genauer ansieht, der wird vielleicht manches Vorurteil überdenken müssen. Denn dieser Papst ist anders als manches Klischee von Kirche vermuten lässt. Die Lebensfreude, die er ausstrahlt, ist Teil seines Programms: „Von der Freude des Evangeliums“ heißt eine seiner ersten Veröffentlichungen als Papst. Ja, „Evangelium“ - das bedeutet vom griechischen Wort wörtlich übersetzt „Frohe Botschaft“. Aber kann ich das spüren in der Kirche - und bei denen, die zur Kirche gehören? Gibt es da die Freude, die frohe Botschaft, auch jetzt zu Weihnachten? Oder doch eher Jammern, Beschweren und Lamentieren, dass früher „mehr Lametta“ war? Papst Franziskus ist da eindeutig: An seiner Wohnungstür hängt seit einiger Zeit ein Schild: "Beschweren verboten!", steht da auf Italienisch. Das Foto davon kursiert seitdem im Internet. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass es eine Mahnung für alle ist, die dem Papst bei Besuchen die Ohren vollmachen, wie denn der Zustand der Kirche sei, was er denn bitte alles ändern soll – und was gerade nicht. Aber da steht noch mehr auf dem Schild: „Beschweren verboten! Zuwiderhandlung wird bestraft mit einem Geisteszustand, in dem man schlecht gelaunt ist und eine verringerte Problemlösefähigkeit hat. (…) Daher: Aufhören mit Jammern, anfangen, das eigene Leben zu verbessern." 
Das Schild stammt vom Psychologen Salvo Noè, der es dem Papst bei einer Audienz auf dem Petersplatz überreicht hat. Anscheinend hat es dem Papst so gut gefallen, dass er es an seine Wohnungstür gehängt hat. 
Wer meint, dass der Papst da mit erhobenem Zeigefinger hantiert, um seine Besucher zu belehren, der täuscht sich. Denn er selbst ist es ja, der wohl am häufigsten durch diese Tür geht. Und so wie ich den Papst erlebe, hat es ihm schon viel geholfen: Er strahlt ja eine Lebensfreude aus, die alles andere als jämmerlich und lamentierend ist, nicht nur jetzt in der Vorweihnachtszeit. In einem seiner Tweets im Kurznachrichtendienst Twitter hat der Papst geschrieben: „Allein können wir die Welt nicht ändern, gemeinsam aber können wir die Freude des Evangeliums säen, indem wir den Kleinsten zur Seite stehen.“Darum geht es auch an Weihnachten: Solidarisch mit den Kleinen, den Schwachen, weil gerade das Kind in der Krippe von Betlehem der Erlöser der Welt ist – so seltsam das klingt. Aber genau das ist die Botschaft von Weihnachten. 

Teil 2

 Schon nächsten Sonntag ist Heiligabend. Der Sonntag heute heißt in der Katholischen Kirche „Gaudete“ - „Freut euch“. Gaudete! Das Wort „Gaudi“ hat dieselben Wurzeln. Freut euch, bald ist Weihnachten! Darauf verweist nicht nur der Papst mit seiner ansteckenden Lebensfreude. Der Grund zur Freude an Weihnachten, die er damit verkündet, ist, dass Gott Mensch wird. Doch ist das ernsthaft ein Grund zur Freudewenn man bedenkt, was wir Menschen uns täglich mit Neid, Hass und Leid gegenseitig antun: in der Welt und vor der eigenen Haustür? Aber Weihnachten ist kein Lametta-Fest mit Harmonie-Soße! „Weihnachten wird es, wenn es ganz dunkel ist”, hab ich auf einer Weihnachtskarte gelesen. Das passt, finde ich; auch wenn es zunächst komisch klingt. Wo doch Weihnachten das Fest der Freude und der Lichter ist. Häuser sind angestrahltund Bäume und Sträucher geschmückt. Und da soll es nun nach dem Kartenspruch Weihnachten werden, wenn alles dunkel ist? Wo bleibt da die Weihnachtsfreude? Die hoffnungsvolle Lebensfreude, von der ich beim Papst gesprochen habe? Wenn wir mit den Lichterketten und Leuchtbändern alles erleuchten, vergessen wir schnell, dass es an Weihnachten nicht um Glanz und Gloria, Lametta und das heimelige Gefühl von tausenden Lichtern geht. Wenn ich Weihnachten ernst nehme, dass Gott nämlich zu denMenschen kommt, auch in die Not der Welt, dann brauche ich keine Angst zu haben vor der Dunkelheit und auch den Schatten im eigenen LebenDann macht es gerade Hoffnung, dass in der dunkelsten Nacht der neue Tag beginnt. Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsere Nacht nicht traurig und endlos sein. Dann wird es immer heller.Wenn Gott wirklich als Mensch geboren wird - und das feiere ich als Christ an Weihnachten - warum sollte ihm dann irgendwas Menschliches fremd sein, auch das, was uns im wahrsten Sinn des Wortes be-trübt? Gerade weil Gott in der Nacht kommt, in der Weih-Nacht, kann das Dunkel nicht das letzte Wort haben. Gott durchbricht die Nacht. Dann bekommt der Satz auch seinen tiefen Sinn: Weihnachten wird es, wenn es ganz dunkel ist. Und darauf weist der Dritte Advent heute schon hin: Gaudete, freut euch – freu dich! Das wünsche ich Ihnen und mir und allen, die sich auf Weihnachten freuen, trotz mancher düsteren Nachricht in diesen Tagen. Trotzdem. Schon heute: frohe Weihnachten!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25574
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