SWR3 Gedanken

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Sechzig Euro. Viel Geld für einen, der nichts hat. Aber so viel kostet nun mal Schwarzfahren, mindestens. Der junge Mann, der mir im Zug schräg gegenüber sitzt, hat nichts. Kein Ticket und kein Geld. Aber nach Koblenz will er. Als die Zugbegleiterin erscheint ahne ich schon, was jetzt kommt. Die Personalien werden aufgenommen, ein Zahlungsformular ausgestellt.  Doch etwas ist diesmal anders. Ungewöhnlich lange spricht die Zugbegleiterin mit dem jungen Mann. Ich bekomme mit, dass er keinen festen Wohnsitz hat und Geld hat er auch keines. Die Frau hört ihm zu, fragt nach. Immer und immer wieder. Kein lautes oder aggressives Wort fällt zwischen den beiden. Irgendwann setzt sie sich dann zu ihm, kramt ein Formular hervor, füllt es aus. Als der Zug an der nächsten Station hält, muss der junge Mann raus. Er geht ohne Protest. Nach Koblenz ist er nicht gekommen, aber er hat jemand gefunden, dem er seine Geschichte erzählen konnte. Jemanden, der ihm an diesem Morgen einfach zugehört hat.

„Das ist schon ein armer Kerl“ sagt die nette Zugbegleiterin zu mir, als er weg ist. „Eigentlich tut er mir ja leid, aber was soll ich machen“? Die sechzig Euro wird sie wahrscheinlich nie bekommen, das weiß sie. Aber vielleicht ist das in diesem Moment auch gar nicht das Wichtigste. „Sie haben das toll gemacht“, antworte ich ihr. Im Prinzip hat sie nur ihren Job gemacht, aber so, dass es selbst mir dabei warm ums Herz wird. 

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