SWR3 Gedanken

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Wenn meine Mutter mich früher bat, ein paar Kartoffeln fürs Mittagessen aus dem Keller zu holen, dann rief sie immer einen Satz hinterher: Aber nur die großen, hörst du? Brav habe ich dann vor allem die dicken Knollen aus der Kiste gekramt. Die kleinen blieben meistens bis zum bitteren Ende liegen.

Klar, meine Mutter wollte sich das Kartoffelschälen leichter machen. Aber das Prinzip gilt ja nicht nur im Kartoffelkeller. Es passt leider auch auf die Gesellschaft, in der ich lebe. Interessant sind in der Regel wirklich nur die Großen und Wichtigen. Die Kleinen, Krummen oder Unscheinbaren haben das Nachsehen. Wenn in einem Industriekonzern tausende Jobs gestrichen werden, trifft es fast immer die Arbeiter und kleinen Angestellten. Wenn in den Innenstädten Wohnungen kaum noch bezahlbar sind, dann müssen zuerst die Geringverdiener weichen.

Wichtig sind also v.a. die Großen? Die mit Geld, Macht und Einfluss? Den Blick in unsere Kartoffelkiste finde ich da durchaus vielsagend. Auf einem Kartoffelacker wächst schließlich auch alles. Große und Kleine, Wohlgeformte und Krumme und aus allen lässt sich etwas Wunderbares machen. Man muss es nur wollen. Ja, das macht mehr Mühe und es dauert etwas länger, wenn die Kartoffeln klein und krumm sind. Eine Mühe aber, die sich lohnt. Denn sie sind weder schlechter noch weniger wert. 

Darum ist es auch kein Zufall, wenn viele Geschichten der Bibel gerade nicht von den Großen und Superwichtigen erzählen, sondern von den sogenannten kleinen Leuten. Von Kranken und Traurigen, Abgerutschten und Gescheiterten. Genau von denen also, die gerne mal vergessen werden und dann unbeachtet liegen bleiben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25520
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