SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Seid wachsam!

Wenn morgens der Wecker klingelt, schlafe ich meist noch tief und fest. Was ich da nicht brauchen kann, ist ein Weckruf, der mich aus den Federn schmeißt. Und doch komme ich nicht anders in die Gänge. Ganz ähnlich ist das bei mir mit dem Advent. Wach auf und sei wachsam – das ist die Botschaft des Tages. Jesus hat das zu seinen Jüngern gesagt und sie damit wachgerüttelt. Er sagt: Mit Gott ist es wie mit einem Hausherrn, der irgendwann vor der Tür steht. Nur wer wach ist, kriegt den Moment mit. Nur wer aufmerksam ist, kann dann, wie es im Kirchenlied heißt, die Tür hoch und die Tore des Herzens weit machen, um den Herrn zu empfangen.

Auch wenn ich Wecker nicht mag, bin ich doch froh, dass mich der Advent so deutlich wachrüttelt. Mir passiert es nämlich oft, dass ich in meinem Alltag nur wenig mit Gott rechne. Mir ist schon klar, dass er überall auftauchen kann. In meinem Gegenüber zum Beispiel. Ich denke auch manchmal an ihn, wenn ich einen Regenbogen sehe, denn der ist für mich so eine Art Brücke zwischen Himmel und Erde. Aber dass Gott auch direkt an die Tür meines Herzens klopft und auch in mir etwas bewirkt, das geht mir oft durch. Um das zu merken, bräuchte ich nicht nur einen adventlichen Weckruf. Ich müsste mir auch die Zeit nehmen, mal genauer hinzuschauen. Und daran hängt es oft.

Ordensleute sind da geübter. Sie meditieren und beten regelmäßig. Dabei lernen sie sich selbst besser kennen. Wer still ist und sich Zeit für sich nimmt, stellt fest, was er denkt und fühlt. Er merkt, wonach er sich sehnt, was er sich wünscht und was er tun kann, um das zu erreichen. Das verändert, wie er die Welt sieht und wie er mit ihr umgeht; denn wer so achtsam ist, prüft im Idealfall genau, was für ihn und andere gut ist – und das tut er dann auch.

Ich denke, genau hier kommt Gott ins Spiel, der da anklopft. Denn wenn ich in mich gehe, entdecke ich, dass ich mich nach Liebe und Geborgenheit sehne, nach Frieden und Gerechtigkeit. Dinge, die Gott wichtig sind. Visionen, die Jesus verkündet und gelebt hat. Ideale, an denen auch ich mich orientieren kann und die ganz konkret lenken, was ich tue. Wenn ich zum Beispiel davon ausgehe, dass Gott bei mir durch das wirkt, was mir selber wichtig ist, was ich mir ersehne und wünsche, dann werde ich dem Kollegen sicher keins reinwürgen, nur weil ich mich über ihn geärgert hab. Das führt nicht weiter und bringt mich dem Frieden nicht näher. Besser, ich spreche ihn auf die Sache an und kläre das. Dadurch verändert sich etwas.

Wacht auf und achtet auf den Herrn; zum Beispiel in der Stille. Die Ordensleute haben früher sogar körperlich erfahren, dass sich was tut, wenn man diesem Weckruf folgt. In St. Peter im Schwarzwald zum Beispiel. Dort gibt es nämlich besondere Kniebänke: Wenn sich die Mönche früh morgens in der eiskalten Kirche versammelt haben, um zu beten, sind sie auf Holzkästen gekniet, in denen heiße Steine lagen. Wer also aufmerksam war und sich Gott zugewandt hat, hat schon bald nicht mehr gefroren. Er hat am eigenen Körper gespürt: beten wärmt.

Und wenn ich zu müde bin?

Wacht auf und seid wachsam, denn ihr wisst nicht, wann der Herr kommt. Das ist die Botschaft des Advents. In meinen Sonntagsgedanken habe ich überlegt, was das heißen kann. Mir Zeit zu nehmen, um still zu werden, zu meditieren und zu beten zum Beispiel. Dabei kann ich nämlich entdecken, wonach ich mich sehne, was ich mir wünsche und was mir wichtig ist. Dadurch kann ich Gottes Stimme in mir hören, die mich letztlich dazu anleitet, anders zu leben, friedlicher, gerechter und liebevoller.

Was aber, wenn ich zu müde bin, um zu meditieren, zu beten und wachsam darauf zu achten, wie Gott bei mir ankommt? Theresa von Avila hat sich das mal gefragt. Sie hat im 16. Jahrhundert gelebt, mehrere Klöster gegründet und dabei richtig angepackt. Sie hat dabei geholfen, die Häuser herzurichten und für den Einzug vorzubereiten. Sie hat sich um ganz banale Dinge gekümmert, das Stroh zum Beispiel, auf dem die Ordensleute schlafen sollten. Das hat sie ganz schön geschlaucht. Sie soll gebetet haben: „Herr der Töpfe und Pfannen, ich habe keine Zeit, eine Heilige zu sein und Dir zum Wohlgefallen in der Nacht zu wachen, auch kann ich nicht meditieren in der Morgendämmerung.“

Dann macht sie Gott einen Vorschlag: „Mache mich zu einer Heiligen, indem ich Mahlzeiten zubereite und Teller wasche. Nimm an meine rauen Hände, weil sie für Dich rau geworden sind. Kannst Du meinen Spüllappen als einen Geigenbogen gelten lassen, der himmlische Harmonie hervorbringt auf einer Pfanne? Sie ist so schwer zu reinigen (…)! Hörst Du, lieber Herr, die Musik, die ich meine? Die Stunde des Gebetes ist vorbei, bis ich mein Geschirr vom Abendessen gespült habe, und dann bin ich sehr müde. Wenn mein Herz noch am Morgen bei der Arbeit gesungen hat, ist es am Abend schon längst vor mir zu Bett gegangen.“

Theresa von Avila ist realistisch. Nicht jeder kann sich die Zeit nehmen, um in Ruhe zu meditieren oder zu beten. Ich kenne das gut: oft ist zu viel los und ich bin einfach zu müde dafür. Neulich stand in der Zeitung, dass es sogar dem Papst so geht und dass er manchmal beim Beten einschläft. Aber so wie Theresa betet, zeigt sie, worauf es ankommt: sie geht davon aus, dass Gott immer und überall da ist. Sie rechnet mit ihm und glaubt, dass Gott auch dann bei ihr anklopft, wenn sie einfach nur dem nachgeht, was sie täglich so tut. Das zeigt eine Grundhaltung, die für mich adventlich ist: zu meditieren und zu beten ist wichtig; und es braucht manchmal Auszeiten dafür. Ich kann Gott aber auch entdecken, wenn ich einfach achtsam tue, was gerade ansteht – vielleicht ab und zu unterbrochen durch ein Stoßgebet wie das von Theresa.

Wacht auf und seid wachsam! Es gibt viele Möglichkeiten, „aufgeweckt“ zu leben und aufmerksam dafür zu sein, wo und wie Gott bei mir ankommt.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten ersten Advent.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25448
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