SWR1 Begegnungen

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Thomas Sternberg ist Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Seit zwei Jahren steht der promovierte Germanist, Kunsthistoriker und Theologe an der Spitze der katholischen Laienorganisation. In der Mitte des 19.Jahrhunderts gegründet ist sie bis heute die Stimme der engagierten katholischen Christen der Republik. Mit Stellungnahmen, gelegen oder ungelegen, zu kirchlich
wie gesellschaftlich relevanten Fragen der Zeit. Die vom ZDK alle
zwei Jahre organisierten Katholikentage waren und sind immer wieder deutliche Zeitansagen. Der Name Zentralkomitee klingt jedoch etwas aus der Zeit gefallen. Der Präsident weiss darum.

Ja wir legen allerdings immer Wert darauf, dass das Zentralkomitee der Katholiken älter ist als alle kommunistischen Zentralkomitees
und fast alle überlebt hat. Man könnte problemlos aus ZDK auch Zentralrat der Katholiken machen, vielleicht wäre es auch besser. Zumindest wenn ich angesprochen werde von Journalisten, was sehr häufig passiert, als Präsident des Zentralrats, korrigiere ich das grundsätzlich nicht.

Am 20.November 2015 wurde Dr. Sternberg in dieses Amt gewählt. Ein Ehrenamt, das einiges an Einsatz erfordert und oft Anlass zu Diskussionen gibt. Rückhalt findet er in seiner Familie, die sein Engagement unterstützt. An erster Stelle seine Frau Angelika und seine fünf erwachsenen Kinder. Heisse Eisen anzupacken scheut sich der 65jährige nicht. Auch nicht bei kontroversen innerkirchlichen Themen: zum Beispiel wie mit wiederverheirateten Geschiedenen umzugehen ist. Allerdings mit einer über das Thema hinausführenden Motivation.

Ich glaube wir sind in einer Situation wo wir innerkirchliche Probleme nicht deswegen bereinigen und diskutieren sollten damit wir uns mit uns selbst beschäftigen sondern wir sind in einer Situation, wo wir so dringend auf anderen Feldern der Gesellschaft gebraucht werden, dass wir sehen sollten dass wir unser Haus so gut in Ordnung kriegen, dass wir uns nicht mit solchen internen Streitigkeiten die Zeit wegnehmen.

Gesellschaftlich drängende Themen gibt es genug. Die Flüchtlingsproblematik, Fragen der internationalen Gerechtigkeit, die europäische Krise oder auch neu aufkommende Themen aus dem Bereich der Bioethik.

Da kommen jetzt solche Sachen wie Gen-Editing; dass man einfach durch das Einnehmen einer Tablette seine Keimbahn verändern kann und für alle Generationen ein verändertes Erbgut produziert- kann man das machen? Darüber werden wir diskutieren müssen.

Und über vieles mehr. Dabei ist immer wieder die Rückbindung an die Botschaft Jesu Christi notwendig und die Besinnung darauf wozu Kirche und Christentum eigentlich da sind. Für Dr. Sternberg ist Jesus derjenige, der eine Umwertung aller Werte vorgenommen hat, der jede an ihn gerichtete Erwartung unterläuft, sie paradox beantwortet.

Da ist einer der ist als Messias erwartet, als König und der wird als normales Menschenkind geboren irgendwo in einer Krippe irgendwo in einer Ecke in einem Winkel von Palästina. Und da ist einer von dem man gedacht hat der wird jetzt seine Truppen um sich scharen und der sagt: „ich bin nicht gekommen um mich bedienen zu lassen sondern um zu dienen“; der das so weit treibt, dass er das bis zum Zeugnis des Gründonnerstages bringt wo er den Jüngern die Füße wäscht und in der logischen Konsequenz den erbärmlichsten Tod stirbt den man im römischen Reich überhaupt sterben konnte. Und aus diesem totalen Scheitern als der Gottessohn, als unser Herr und Gott, hervorzugehen, das ist für mich das eigentlich Befreiende der gesamten christlichen Tradition und Theologie: zu wissen unsere Kriterien gelten so nicht. Es ist alles anders.

Das zeigt sich auch in der Art und Weise wie Papst Franziskus sein Amt versteht und gestaltet. Warum ihn Dr. Sternberg deswegen bewundert, warum Martin Luther einen solchen Papst gebraucht hätte und warum der zweifach Promovierte bis heute von seiner Bäckerlehre profitiert, dazu mehr nach dem nächsten Titel.

Teil II:

Thomas Sternberg, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, hat Germanistik, Kunstgeschichte und Theologie studiert. Zweifacher Doktortitel,Honorarprofessor für Kunst und Liturgie, ein Akademiker par excellence. Aber einer mit kräftiger Bodenhaftung. Abendgymnasium und Studium kamen später. Begonnen hat alles mit einer Bäckerlehre im elterlichen Betrieb.

Ich hab eine Riesenhochachtung vor handwerklicher Arbeit immer behalten - ich back auch heute noch ganz gerne - und ich glaube wir brauchen heute ganz dringend eine Anerkennungskultur, die deutlich macht der Mensch fängt nicht mit dem Abitur an, er fängt schon gar nicht mit einem akademischen Titel an sondern es geht darum wer er ist und ob er seine Sache gut macht.

Einer der seine Sache besonders gut macht ist für Thomas Sternberg Papst Franziskus.

Papst Franziskus ist ein Glücksfall für die katholische Kirche denn dieser Papst mischt die Kirche auf. Was ich an ihm bewundere ist: er ist jemand der etwas sagt das voll und ganz in der Tradition des Christentums steht aber der es nochmal so sagt und so sieht dass man eine Perspektivenveränderung macht, das man plötzlich die Wirklichkeit anders sieht als man sie vorher gesehen hat.

Mit dem Mut zur Perspektivenveränderung hätte man vielleicht auch mit dem Anliegen, das Martin Luther vor 500 Jahren umtrieb, anderes umgehen können.

Vielleicht war es auch eine Misserfolgsgeschichte des Katholischen, dass er damals keinen Papst gefunden hat der in der Lage gewesen wäre eine revolutionäre Bewegung als Erneuerung zu akzeptieren und zu integrieren. Im Grunde genommen sind alle so genannten Ketzerentwicklungen  immer Anfragen gewesen an die Integrationsfähigkeit der Katholischen Kirche.

Um so wohltuender, dass das Reformationsjubiläum in diesem Jahr einen verbindenden, bewußt ökumenischen Charakter hatte und immer noch hat. Auch eine Perspektivänderung. Dass sich oft Dinge anders zeigen und entwicklen davon weiss schon die Bibel. Dr.Sternberg nennt zwei Bibelstellen die ihm neben anderen viel bedeuten. Die eine steht im Alten Testament: der Aufbruch Abrahams.

Wichtig scheint mir in diesem Auftrag an Abraham zu sein, dass Gott ihm sagt: Geh in das Land das ich dir zeigen werde. Nicht das du dir ausgesucht hast von dem du meinst da könnte es vielleicht noch besser sein, sondern was ich dir zeige. Es heisst es gibt im Leben sehr vieles was man sich vielleicht nicht aussucht, was man nicht selbst gemacht hat, was aber als Auftrag da ist. Und dann wird aus dem Römerbrief der Satz gelten: der Geist hilft eurer Schwachheit auf.

Darauf vertraut Thomas Sternberg, darauf vertraue ich auch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25206
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