Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Was ist bloß los mit unseren großen Jungs?“ Den Stoßseufzer habe ich in letzter Zeit öfter gehört. Von Müttern und Vätern. Ich kenne ihn auch von mir. „Was ist los mit unseren großen Jungs?“ Gemeint sind damit erwachsene junge Männer zwischen 20 und 30. In dem Stoßseufzer steckt viel Kummer, Sorge, Ratlosigkeit und immer wieder die Frage: Was kann ich bloß machen?

Eine Mutter hat mir erzählt, ihr Sohn findet beruflich seinen Weg nicht. Er fängt was an, bricht ab.
Oder: Ein Vater musste die dicken Schulden bezahlen, die sein Sohn im Internet gemacht hat, auf Pornoseiten. Vielleicht ist er sogar süchtig danach. Ein anderer ist zwar beruflich erfolgreich, aber er kriegt es nicht hin mit einer Beziehung. Dabei sehnt er sich so sehr danach.

Da stehst du als Mutter oder Vater hilflos da, leidest mit, quälst dich mit Fragen. ‚Hab ich was falsch gemacht in der Erziehung? Was kann ich machen? Druck machen, raushalten? Vielleicht sogar, mich innerlich von ihm zurückziehen, damit es mir nicht mehr so weh tut? Das bitte nicht. Auch wenn unsere großen Jungs so anders sind als wir es gern hätten oder wir es ihnen wünschen. Wir bleiben Mutter und Vater. Manchmal tut das weh.

Wie in der Geschichte vom so genannten „Verlorenen Sohn“ in der Bibel.
Die begleitet mich, seit ich Vater bin: In der Geschichte wird erzählt, wie die enge Beziehung von Vater und Sohn getrennt wird. Der Sohn geht. In der Fremde gerät sein Leben aus der Spur. Man kann Angst kriegen, dass er vor die Hunde geht.

‚Er verliert sich. Ich verlier ihn.‘ Die Angst kann man als Vater und Mutter bei manchem unserer großen Jungs kriegen.
Mir hat die biblische Geschichte geholfen. Da steht nicht, dass der Sohn „verloren“ ist. Irgendwann habe ich kapiert. Es ist Angst, wenn wir als Vater und Mutter fürchten, mein Sohn „verliert“ sich. Die biblische Geschichte setzt dieser Angst Vertrauen entgegen: Dieses Vertrauen sagt: ‚Dein Sohn verliert sich nicht, er sucht.‘ Und die Beziehung zum Vater hält.

Was ich in der Geschichte noch sehe: Vielleicht wäre es besser für manche große Jungs, wenn man sie als Vater und Mutter eher loslassen würde. Vielleicht müsste man zu ihnen sagen: ‚Los jetzt, auf eigene Füße.‘ Sie nicht daheim lassen, sondern vertrauen, dass sie genug mitbekommen haben, von uns und von Gott, dass sie sich finden werden. Und ihre Suche ein gutes Ende nimmt.

Übrigens. Der Junge, von dem ich vorhin erzählt habe, hat inzwischen sein Jobglück gefunden. Und der mit den Pornoschulden hat auch die Kurve gekriegt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25198
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