Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Wenn man alles hat, dann muss man sich keine Sorgen machen: wie schön! Es ist alles da: Essen und Trinken, ein Dach über dem Kopf, die Familie gesund, Schulen für die Kinder, Arbeit, die anständig bezahlt wird und noch dazu Freude macht. Wer das alles hat und vielleicht noch mehr, weiß oft gar nicht, wie gut es ihm geht. Erst wenn man die Not anderswo sieht, wird es einem klar.

Wer selbstverständlich alles hat, den beschäftigt die Sorge merkwürdigerweise aber auch: die Sorge nämlich, dass es nicht so bleibt. Die Menschen kriegen Angst, dass es anders werden könnte. Hier bei uns in Deutschland kann man das überall spüren: Den meisten Menschen geht es vergleichsweise gut und sehr gut – aber viele haben Angst. Und sie versuchen, sich und ihren Wohlstand dagegen zu schützen, dass es anders werden könnte. Und die anderen, denen es nicht so gut geht? Die müssen schon selber sehen, wo sie bleiben!

Manchmal denke ich: Vielleicht hat Jesus deshalb einem jungen reichen Mann empfohlen, alles wegzugeben, was er hat (Mk 10, 17-27). Der junge Mann wollte von ihm wissen, was er tun muss, damit er Chancen hat auf ewiges Leben. Und Jesus erinnert ihn an die 10 Gebote. Die habe er alle gehalten, entgegnet der junge Mann. Er war also anscheinend ein anständiger Mensch. Einer, der sich nichts zuschulden kommen lässt. Einer, der niemandem etwas tut. Warum auch. Er hat ja alles, was er braucht.

Aber anscheinend spürt er: Das kann nicht alles sein. Irgendwas fehlt. Und er weiß nicht, was. Er tut doch, was er kann! Da rät ihm Jesus: „Verkaufe alles, was du hast und gib es den Armen. … Und komm und folge mir nach.“

Ich glaube, Jesus rät dem reichen jungen Mann: Hör auf, dich mit dir selbst zu beschäftigen. Hör auf zu fragen: Wie kann ich mich und meinen Wohlstand absichern. Bleib nicht bei dem, was Du schon immer gemacht hast. Mach die Augen auf für die Welt und die Möglichkeiten, die du hast. Und das geht oft besser, wenn man nicht so viel hat. Die kleinen Startup-Unternehmen fallen mir ein: In einer Garage entwickeln die neue Produkte, die oft bahnbrechend sind und Neues möglich machen. In den großen Konzernen, wo man nach Gewinn schaut und nach Sicherheit – da sind sie oft nicht so innovativ.

Armut kann Kreativität freisetzen! Wenn man gezwungen ist, etwas zu probieren, dann entsteht Neues. Mehr jedenfalls, als wenn man ängstlich immer nur das Alte erhalten will.

Ich glaube nicht, dass Armut etwas Romantisches ist. Aber: Wer weiß, was möglich wäre, wenn wir ganz neu zu denken anfangen, statt uns immer bloß Sorgen zu machen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25161
weiterlesen...