SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Eines Tages wachst du auf / und bist nicht mehr am Leben. / Über Nacht, wie Schnee und Frost, / hat es sich begeben“,  beginnt ein Gedicht von Mascha Kaleko, der Berlinerin jüdischer Prägung. In der Tat: Das Erwachen heute morgen ist nicht selbstverständlich, es könnte das letzte schon gewesen sein. Den neuen Tag vor sich haben zu dürfen und noch zu  leben – bei Licht besehen ist es ein Wunder. „Eines Tages wachst du auf und bist nicht mehr am Leben.“ Im Sarg werde ich genauso da  liegen wie seit gestern Abend im Bett, z.B. auf dem Rücken. Nicht nur eine bestimmte  Lage ist das, es ist wortwörtlich  eine Niederlage. In früheren Zeiten gab es den guten Brauch, den eigenen Tod voraus zu meditieren, nicht zuletzt in Bett-Lage. . Mascha Kaleko  sagt es so: „Eines  Tages wachst du auf / und bist nicht mehr am Leben. / In der Nacht, wie Schnee und Frost, / hat es sich begeben./ Aller Sorgen dieser Welt bist du nun enthoben. / Krankheit, Alter, Ruhm und Geld sind wie Wind zerstoben./ Täglich sonnst du dich / im Licht einer neuen Küste, / Ohne Ehrgeiz, ohne Pflicht. / Wenn man das nur wüßte!“ Das Aufwachen im Tod als eine Erlösung von all dem Kram, der einen belastet und   womöglich   auch heute wieder bevor steht, ob vielleicht die Langeweile in der Einsamkeit oder der Alltagstrott im Büro oder Betrieb, überhaupt das ganze Drumherum des Alltäglichen. Das ist man dann alles los, und es ist ein Erwachen in ein neues Leben hinein. „Ohne Ehrgeiz, ohne Pflicht,“ wie es heißt. Aber dann der entscheidende Satz: „Wenn man das nur wüßte!“ Die nachdenkliche Dichterin fasst die Grenze zwischen dem falschen und wahren Leben ins Auge; ganz mutig redet sie von einer Welt, wie sie anders sei -  jenseits all dessen, was jetzt belastet;  Sehnsucht ist  da im Spiel, Wunschdenken auch . Es gibt da womöglich ein anderes Leben, ein Über-leben und mehr Leben. Aber: '“Wenn man das nur wüßte!“

Die Grenze zwischen Schlafen und Aufwachen ist geheimnisvoll, eine Todesgrenze und eine Lebensgrenze und absolut nicht selbstverständlich, dass wir noch leben. Jedes morgendliche Erwachen enthält  die Sehnsucht auf erfülltes Leben. Aber immer dieses: „Wenn man das nur wüßte!“  Der christliche Glaube sagt mir: „Ich werde erwartet“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25143
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