SWR1 Begegnungen

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Martin Schmidt

Wolf-Dieter Steinmann trifft Martin Schmidt, Winzer und Weingutinhaber aus Eichstetten am Kaiserstuhl

Ein Weinbesessener
Er feiert Erntedank, obwohl dieses Jahr ihnen als Winzer viel zugemutet hat. Anfang des Jahres gab es Frost in Südbaden wie lange nicht. Viele Winzer haben 30 %, andere 100 % Trauben verloren. Bei ihnen in Eichstetten am Kaiserstuhl hat es sich noch ganz gut gewendet.

Es ist ein Jahr, das uns auf ewig im Gedächtnis bleiben wird. Das Wetter hat sich ins Positive gedreht, dass wir eine normale Ernte jetzt fast haben. Worüber ich sehr sehr glücklich bin. Das sag ich immer: ‚Die Ernte kommt von oben.‘ Wir Menschen können gar nix beitragen, oder sehr wenig. Wir können dankbar sein.

Martin Schmidt ist der Erntedankgottesdienst sehr wichtig. Auch weil ein großes Unglück auf allen lastet. In der Lese ist ein Winzer ums Leben gekommen, beim Trauben anliefern in seinem Betrieb.  Aber er kann Winzer nicht sein ohne Dankbarkeit und nur mit Zuversicht. Weil Wein unberechenbar ist. Auch jetzt, wenn er reifen soll.

Ein Motto von uns ist auch „laufe lo“ , dass man wirklich der Natur ihren Lauf lässt und sehr wenig eingreift. Und mE gehört da wirklich Gottvertrauen dazu. Wenn man sich da aufs Lehrbuch und auf Analysen verlässt, würde man durchdrehen.

Erfahrung und Intuition sind wichtig. Weil Wein lebt, immer wieder anders ist. Daran muss jeder denken, wenn er mit Lebendigem umgeht.

Ich bin – kann man sagen – besessen. Wenn ich einen Wein probieren kann, werde ich den probieren. Ich komm auf 2000 verschiedene Weine, die ich im Jahr probier. Weil die Vielfalt, die Wein bietet, ist unglaublich. Mir geht’s ganz stark um eine Erfahrung und um ne Erkenntnis.

Wein öffnet ihm Welten, sinnlich und mental. Allerdings bis Weihnachten ist wenig Genuss. Die Jungweine fordern Arbeit und ungeteilten Geschmackssinn. Dabei schmecken sie nicht toll.

Ich habe an die 200 Weine jetzt am Gären, die wir wöchentlich mindestens einmal probieren müssen. Und das ist wirklich Arbeit und ich kann dann auch Abends kein Glas Wein mehr genießen.

Hm. Anfangs hat Martin Schmidt gesagt: ‚Die Ernte kommt von oben.‘ Und jetzt erzählt er von so viel Arbeit. Aber das ist kein Widerspruch: Gott ist der Schöpfer, wir Menschen seine Mitschöpfer und arbeiten Gott hinterher.

Das ist auch für mich als Winzer das Tolle, dass man so ein Produkt schafft, das eben die Lebensfreude vermittelt. Das aber auch besinnlich ist und ein Jahrhunderte altes Kulturgut, das die Menschen schon immer schätzen.

In einem alten Gebet wird Gott schon gelobt, „dass der Wein das Herz der Menschen erfreut.“ - An einer Stelle aber ist Wein für ihn viel mehr als Genussmittel: Im Abendmahl. Da symbolisiert er Gott und zeigt, dass er bei uns Menschen ist: Im Schlimmsten und im Schönsten.

Der Abendmahlswein ist schon immer Abendmahlswein und hat mit den anderen Wein für mich nichts zu tun. Ich bin selbst Kirchengemeinderat und gebe auch oft das Abendmahl und das ist aber für mich etwas ganz ganz anderes.

Wein hat für Martin Schmidt etwas Göttliches.

Schaffen und genießen, denken und danken

Martin Schmidt beeindruckt mich eins ums andere Mal:
Mitten in der hektischen Weinlese nimmt er sich Zeit für mich. Äußerlich ein Ruhiger, Bescheidener - innerlich, ein Weinbesessener. Musiker hätte er auch werden können erzählt der 42-jährige Vater von 3 Kindern, nebenbei. Und ist heilfroh, dass er Winzer ist.

Am meisten liebe ich die Natur und den Kaiserstuhl. Die Erfahrung habe ich erst gemacht nach dem Studium. Wie schön wir es hier haben und wie wichtig der Weinbau ist, um das hier alles zu erhalten. Weil die Winzer den Kaiserstuhl so bearbeiten, deshalb ist die Natur in unserer Umgebung so.

Darum „Kultur-Landschaft“. Natur, von Menschen gestaltet und geschaffen. -
Ich glaube, ich hätte nicht so viel Mut wie er: Er hat mit seiner Frau das elterliche Weingut übernommen und ein zweites, das dessen Erben nicht fortführen wollten.

Wenn man die Ausmaße kennt von diesem Betrieb, muss man schon sagen: Jouu. Es drückt mich nicht, aber da ist, finde ich, einfach der Glaube wichtig, und die Familie, wo man einfach einen Rückhalt hat und bestärkt ist.

Das gibt ihm Zuversicht. Mit der überrascht er mich auch, als ich ihn frage, ob sie am Kaiserstuhl auch den Klimawandel spüren. Klar. Aber er schreckt ihn nicht. Im Gegenteil.

So eine frühe Lese und wenn man dann auch noch guckt, wie hat sich die Zuckerproduktion der Rebe entwickelt, dann leben wir heute im Paradies. Wir sind Profiteure des Klimawandels, weil wir halt heute viel bessere Qualitäten ernten können.

Sie spüren auch die Schattenseiten des Klimawandels: Die Arbeit wird mehr und stressiger. Kürzere, hektische Lese, neue Schädlinge, Pilzkrankheiten und beim Wetter muss man mit allem rechnen.

Man muss im Denken variabler werden, auch in der Ernährung der Pflanzen ist das sehr wichtig. Um gesunde Trauben zu haben, ist der Aufwand heute- ich würde mal sagen – verdreifacht.

Ich merke, mein Bild vom „idyllischen“ Winzerleben ist so was von überholt. Was er alles vereint: Ist moderner Unternehmer, liebt seine Weine, engagiert sich für seine Landschaft und ehrenamtlich im Weinbau und in der Kirche. Geprägt hat Martin Schmidt ein Pfarrer.

Bei der evangelischen Jugend hat er mich eingeführt und mich gefordert und da bin ich auch der Meinung: Wenn jeder Mensch etwas Gutes tut, dann geht es unserer Welt gut.

Was erwartet oder erhofft er von uns als Weinkonsumenten?

Für die Winzer oder für die Landwirtschaft allgemein ist Wertschätzung wichtig, dass man einfach auch ein Produkt hat, das wert geschätzt wird. Man möchte eben nicht, dass mit Wein Missbrauch betrieben wird, sondern dass es wirklich als Kulturgut und Genussmittel gesehen wird.

Das nehme ich mit von Martin Schmidt: Wie wertvoll Wein ist. Und dass ich Grund habe, Gott danke zu sagen. Wie, ich mach es wie er, im Gottesdienst und mit einer Musik, die wir beide sehr lieben, den Kanon von Pachelbel.

Musik hat für mich manchmal etwas Göttliches wie Wein und das ist ein Stück wo ich in der Kirche einfach wieder runterkomme, gleichzeitig schwingt aber auch sehr viel Dankbarkeit mit, wo ich auch wieder Zuversicht tanken kann.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25090
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