SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Die Frage stellt sich – ähnlich wie sie damals einer gestellt hat;
da hatte Jesus von Nazaret die Nächstenliebe zum wichtigsten Gebot erklärt…
Wer ist denn mein Nächster?!

In Deutschland, 2016/17, hätte Jesus sein Beispiel gleich um die Ecke gefunden,
statt in die Wüste zu schauen, auf den Weg von Jerusalem nach Jericho.
Gleich beim nächsten Bankautomaten könnte es sein –
so wie am 3. Oktober 2016 in Essen-Borbeck.
Ein alter Mann geht zum Bankautomaten;
sein schwaches Herz hält irgeneiner Aufregung nicht stand –
der Alte bricht zusammen und liegt da am Boden.

Drei andere Menschen – alle jünger als der da im Weg lag – drei andere
brauchen auch Geld.
Der erste kommt durch die automatische Tür,
sieht den alten Mann da liegen und sich noch rühren -
aber ganz in Gedanken läuft er um ihn herum und schiebt die GiroCard
in die Geldmaschine, nimmt die Scheine und geht seiner Wege.

Ein zweiter Mensch – auch ganz in Gedanken, wird er später sagen –
steigt dem da unten über die Beine – lässt sich nicht stören von dem da,
diesem Penner oder was.
Steckt die Karte in den Schlitz, tippt die Pin ein, wählt die Scheine
und nimmt sie aus dem Schacht – und dann nichts wie weg.

Und noch eine – findet es wohl normal,
mittags um drei an einem Feiertag, dass da einer vor dem Bankomat
scheinbar seinen Rausch ausschläft. Was geht’s mich an!
Ich hab gerade selber Stress genug!
Bankgeschäfte erledigt und ab dafür.

Erst Patrick, nach zwanzig Minuten,
braucht eigentlich auch Geld, findet es aber nicht so richtig normal,
wie der alte Herr da liegt, spricht ihn an – und wählt endlich den Notruf.
Um dann auch zum Geldautomaten weiterzugehen.

Zu spät kam die Hilfe, leider;
die Kopfverletzungen waren zu schwer,
die der Mann sich beim Sturz zugezogen hatte.
Aber das wäre doch kein Anlass gewesen für die Scheißegal-Haltung –
so hat der Richter es genannt,  beim Urteil vor zwei Wochen,
dass sie da über den Hilflosen hinweggesehen haben
oder sogar über ihn drübergestiegen sind.

Patrick hat einfach getan, was eigentlich jede und jeder tun sollte,
ganz selbstverständlich: auf die Mitmenschen achten,
sich einfühlen in die Lage eines Menschen, der da auf dem Boden liegt.
Könnte ja sein, dass es wirklich ein Obdachloser wäre –
dann wird der schon weiter wissen. Könnte aber eben auch anders sein.
Und obdachlos oder schwer verletzt: Wer in Not ist,
wer Hilfe braucht, ist dein Nächster oder deine Nächste.
Kann irgendetwas anderes wichtiger sein als ihr oder sein Leben zu retten!?

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