SWR4 Sonntagsgedanken

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Wie ich auftrete sagt vieles über mich aus

Pferde auszuführen, sie zu bürsten und zu striegeln, gehört nicht gerade zum Kerngeschäft eines Theologen. Dennoch habe ich es getan; beruflich. Meine Kollegen und ich waren „pferdeflüstern“ im Kraichgau. Wir haben einen Pferdehof besucht, um etwas über Kommunikation zu lernen, vor allem über das, was sich auf der nicht-sprachlichen, der non-verbalen Ebene abspielt, wenn Menschen aufeinandertreffen. Menschen kommunizieren immer; sie können gar nicht anders. Aber nur ein kleiner Teil davon geschieht mit Worten. Das meiste drücken sie ohne Sprache aus: Wie ich dastehe, meine Hände halte oder meinen Kopf neige – das alles sagt etwas aus und bewirkt etwas beim Gegenüber. Pferde sind für solche Signale sehr empfänglich und daher als Kommunikationstrainer besonders geeignet. Sie reagieren prompt auf das, was ich bewusst oder unbewusst ausstrahle; und spiegeln es sofort zurück.

Die erste Übung scheint einfach zu sein: „Sucht Euch ein Pferd aus, nehmt es an den Strick und führt es herum.“ Leichter gesagt als getan! Ich habe großen Respekt vor den Tieren. Also betrete ich ganz langsam die Koppel und nähere mich vorsichtig einem Pferd. Es merkt wohl irgendwie, wie unschlüssig ich bin und nutzt das sofort aus. Was auch immer ich versuche: es bleibt einfach stehen und verweigert sich. Die Trainerin rät mir, entschlossener aufzutreten, bei allem Respekt vor dem Tier. Ich soll nicht zögern, es einfach anleinen und loslaufen. Auch unterwegs soll ich ihm zeigen, dass ich mir ganz sicher bin und den Weg kenne. Ich versuche das und es klappt wirklich.

Schnell wird mir deutlich, was das für Menschen heißt und die Art, wie sie auftreten: In jeder Begegnung schwingt mit, was ich denke oder fühle, ob ich Respekt habe oder Angst, ob ich mir meiner Sache sicher bin oder nicht. Was in mir vorgeht, spiegelt sich darin wider, wie ich auftrete. Das fängt schon damit an, wie ich jemanden begrüße: wertschätzend und respektvoll ist das dann, wenn ich aufrecht dastehe und dem anderen in die Augen schaue. Ihm kräftig die Hand zu schütteln, kann bedeuten, dass ich voller Energie bin, selbstsicher und entschlossen. Das ist übrigens eine gute Voraussetzung dafür, jemanden für etwas zu gewinnen, das mir wichtig ist. Wenn ich wach und aufmerksam bin, den Blick des anderen suche und erwidere statt ins Leere zu schauen, wenn ich offen und zielsicher auftrete statt verschlossen und zögerlich, dann strahlt das eine gewisse Offenheit aus. Es zeigt, dass ich am anderen interessiert bin und dass ich mich auf ihn einlasse. Und es spricht für meine innere Klarheit! Mein Gegenüber spürt dann nämlich: der weiß, was er will. Er hat einen Plan; ihm kann ich vertrauen und folgen.

Ja, gefolgt ist mir mein Pferd dann tatsächlich. Allerdings nicht lange. Schon beim nächsten Versuch hat es mich wieder abblitzen lassen. Es gibt nämlich noch mehr Dinge, die man über Pferde wissen muss oder vielmehr darüber, was im Kontakt mit anderen wichtig ist – abgesehen davon, sicher aufzutreten.

Dem anderen Raum geben, Umwege zulassen, Beziehungen pflegen,

In meinen Sonntagsgedanken habe ich eben von einem Seminar erzählt, das ich mit Kollegen besucht habe. Wir haben mit Pferden gearbeitet, um von ihnen etwas über Kommunikation zu lernen, über das, was sich auf der nicht-sprachlichen Ebene abspielt, wenn Menschen zusammentreffen. Wenn ich zum Beispiel sicher und entschlossen auftrete, kann ich andere leichter zu etwas bewegen. Sie vertrauen mir, weil ich ihnen zeige, dass ich weiß, was ich will und was ich tue.

Bei meinem Pferd hat das geklappt. Es ist mir gefolgt, weil ich entschlossen war. Leider nur kurz; dann ist es wieder stehen geblieben. Aber nicht, weil ich gezögert habe. Der Weg war ihm zu schmal! Das Pferd war eingeengt und hatte nicht genügend Platz, um sich zu bewegen. Es hat sich unwohl gefühlt und hätte gegen seinen Instinkt handeln müssen. Das hatte ich nicht bedacht.

Auch zwischen Menschen ist das manchmal so: etwas läuft nicht, weil einer dem anderen zu wenig Raum lässt. Zum Beispiel bei der Arbeit. Um etwas zu erledigen oder ein Ziel zu erreichen, hat jeder so seinen Weg, seine Methode und sein Tempo. Nur wenn jeder genug Spielraum hat, Dinge auf seine Art anzupacken, funktioniert es. Auch Beziehungen scheitern oft daran, dass sich Partner zu wenig Freiraum zugestehen. Partnerschaft heißt ja nicht: „Du gehörst mir. Lass uns alles gleich tun.“ Es geht vielmehr darum, dem anderen Luft zu lassen und die Möglichkeit zu geben, er selbst zu sein und auch mal zu tun, was ihm wichtig ist.

Und noch etwas ist mir aufgegangen, als ich versucht habe, das Pferd dorthin zu lenken, wo ich hin wollte: Ich verliere nicht, wenn ich dem anderen mal nachgebe und seinen Weg einschlage. Vielleicht mache ich dadurch einen Umweg. Aber ich spare viel Kraft, weil ich ihn nicht erst lange überzeugen und dann doch mühsam mitschleifen muss.

Am besten bin ich übrigens mit dem Pferd zurechtgekommen, nachdem ich es gebürstet, gestriegelt und von Stechmücken befreit hatte. Durch all das nämlich hat das Tier gespürt, dass ich ihm nichts Böses will. Auch das lässt sich auf Menschen übertragen. Wenn die Beziehung stimmt und Menschen einander vertrauen, ist vieles möglich. Deshalb ist es auch so wichtig, immer wieder mal mit Kollegen zu plauschen, Freunde zum Grillen einzuladen oder dem Nachbarn einen Gefallen zu tun! Kleine Gesten eben. Beziehungen leben davon, dass man dem anderen Zeit schenkt, sich für ihn interessiert und Anteil nimmt an dem, was ihn bewegt. Dazu gehört auch, ihn mal zu loben oder ihm ein nettes Wort zu sagen.

Ob dem Pferd unserer Seminar gefallen hat, kann ich schlecht sagen; zum echten Pferdeflüsterer fehlt mir dann doch noch die Übung. Aber ich war begeistert, denn ich habe besser verstanden, was sich da so abspielt, wenn Menschen auf Menschen treffen – oft unbemerkt, ganz ohne Worte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25015
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