Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Widersagen“ ist ein etwas altertümlich klingendes Wort. Es bedeutet gegen etwas zu sein. „Nein“ zu sagen und das möglichst laut und öffentlich. „Ich widersage.“ In der katholischen Liturgie hat dieser Satz einen sehr prominenten Platz: Im feierlichen Gottesdienst in der Osternacht. Der Priester fragt hier die Gläubigen:  „Widersagt ihr dem Bösen?“  Und die Gläubigen antworten mit: „Ich widersage!“ Dieser Teil in der Osterliturgie heißt  „Erneuerung des Taufversprechens“. Natürlich kommen nach den Fragen, was man verneint, auch die Fragen, zu was man „Ja“ sagt. Also: „Glaubt ihr an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde? Glaubt ihr an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn?“ Auch nach dem Glauben an den Heiligen Geist und der Kirche wird an der Stelle gefragt. Und immer antworten die Gläubigen: „Ich glaube.“

Lange Zeit hat mich diese Reihenfolge geärgert. Zuerst das negative „Ich widersage“ und danach erst das positive „Ich glaube.“ Heute finde ich das gut. Denn es macht mir klar, dass ein Christ nicht nur daran zu erkennen ist, woran er glaubt, sondern auch, wogegen er ist. Wer ja sagt zu einem Gott, der die Friedfertigen selig heißt, muss nein sagen zum Krieg. Wer Ja dazu sagt, dass Gott alle Menschen liebt, muss nein sagen zu jeder Form von Rassismus. Wer ja sagt zu einem Gott, der Gerechtigkeit fordert, der muss nein sagen zu einer Wirtschaftsordnung, die die einen immer reicher  und die andern immer ärmer werden lässt.  Wer ja sagt zu einem Gott, der die Welt erschaffen hat, muss nein sagen zu allem, was die gute Schöpfung Gottes zerstört. Als Christ bin ich gefordert, nicht zu allem ja und amen zu sagen, sondern auch an der richtigen Stelle zu widersprechen. Ich gebe zu, oft fällt mir das schwer, ich bin einfach zu träge. Da hilft es mir, mich an mein Taufversprechen aus der Osternacht zu erinnern: „Ich widersage.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25001
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