SWR1 3vor8

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20. Sonntag im Jahreskreis A (Jes 56,1.6f. und Mt 15,21-28)

IWie ist das mit der Menschlichkeit? Muss man nur denen helfen, die einem nahe stehen - weil sie den gleichen Pass haben oder dasselbe Gesangbuch? Ein Christ muss jedem helfen. Das ist ja gerade der Punkt, an dem sich viele stoßen. Sie sagen: Die Christen sind Schuld, wenn das Abendland vom Islam überrollt wird. Sie sind blind für all die Probleme, die Menschen aus anderen Kulturen mit sich bringen. Sie werden schon noch sehen, wo das hinführt: in den eigenen Untergang nämlich.

Erstaunlicherweise scheint die Bibel denen Recht zu geben, die zuerst an sich denken. Die biblischen Texte, die heute in den katholischen Gottesdiensten gelesen werden, unterscheiden jedenfalls sehr genau: Da sind die eigenen Leute, dort die Fremden. Entweder sie passen sich an, oder sie sind nicht willkommen: Die Fremden, die sich dem Herrn angeschlossen haben, die ihm dienen und seinen Namen lieben, (...) sie bringe ich zu meinem heiligen Berg.[1] So steht esbeim Propheten Jesaja im Alten Testament vor 2500 Jahren. Bei Jesus klingt es noch drastischer. Als eine nichtjüdische, also fremde Frau ihn für ihre Tochter um Hilfe bittet, weist er sie schroff ab: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.[2] Hilfe gibt’s bloß für die eigenen Leute - gleiche Religion, gleiche Nationalität. Die anderen sollen für sich selbst sorgen.

Aber so einfach ist es nicht. „Achte auf das Ende!“, hab ich gelernt. Auch bei den beiden Beispielen aus der Bibel geht die Sache anders aus, als erwartet. Die Frau lässt sich von der Parole Jesu nicht abschrecken. Ihr Anliegen ist dringend und ehrlich: Sie hat ein krankes Kind und sie weiß, dass Jesus helfen kann. Hartnäckig trägt sie ihr Anliegen immer wieder vor. Am Ende sagt sie einen Satz, der Jesus offensichtlich sehr beeindruckt hat: Selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.[3] Das ist drastisch, aber es stimmt. Und die Mutter bittet so nachdrücklich darum, dass Jesus nicht mehr „Nein“ sagen kann. Es ist genug für alle da. Keiner muss hungern. Was für eine Erkenntnis! Ich finde, sie lässt sich auf diesen Dauer-Konflikt bei uns übertragen: ob man denen helfen soll, die als Fremde, als Flüchtlinge zu uns kommen, oder nicht. Ja, es reicht für die, die in Not sind. Wie die Mutter.

Wenn ich sehe, was Flüchtende durchmachen, welche Gefahren sie auf sich nehmen, erweicht das mein Herz. Wir haben kein Recht sie wegzuschicken. Wir haben mehr als genug. Teilen ist möglich. Wer, wenn nicht wir im reichen Deutschland!

Aber die Basis muss stimmen. Die Grundwerte: Freiheit, Gleichheit, Toleranz. Daran halten wir fest. Das erwarten wir von allen, die zu uns kommen.  

[1] Jes 56,6f.

[2] Mt 15,24

[3] Mt 15,27

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24871
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