SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Wenn jemand sich richtig daneben benommen hat – dann sollte er auch eine richtige Strafpredigt zu hören kriegen! So eine geballte Ladung an Vorwürfen, Wut und Empörung.
Die Wut wäre ja gerecht und die Empörung nur zu verständlich. Aber Vorwürfe bringen eigentlich nie viel. Da fühlt der andere sich nur angegriffen und geht in die Verteidigung. Er versucht, seinen Fehler schön zu reden und zu rechtfertigen. Dass er einen Fehler gemacht hat, kann er nicht einsehen. Und am Schluss fühlt er sich als armes Opfer, das die Strafpredigt beim besten Willen nicht verdient hat.

Aber das geht auch anders. Das zeigt eine Geschichte aus der Bibel. Da hält der Prophet Nathan dem König David eine Strafpredigt. Aber er macht das sehr geschickt. Er schafft es, dass der König tatsächlich versteht, was er getan hat, und zur Einsicht kommt.

Der Anlass für diese Strafpredigt war wirklich schlimm. David hat eine fremde Ehe zerbrochen, und zwar richtig brutal und mit Hinterlist. Erst hat er sich die fremde Frau genommen. Dann hat er den Mann einfach an die Front mitten ins größte Kampfgetümmel geschickt. Dort ist der gefallen, und nach der angemessenen Trauerzeit hat David die junge Witwe Batseba zur Frau genommen. Die hat da schon ein Kind von ihm erwartet.

Ein Skandal. Ja, eine richtige Schweinerei! Mord und Ehebruch auf einmal. Aber wer sagt das dem König? Dann kommt man am Ende auch an die Front oder ins Gefängnis oder bekommt gleich den Kopf abgeschlagen. Da wird der König wahrscheinlich nicht lange fackeln.

Die Wahrheit zu sagen ist nicht ungefährlich. Davor scheuen viele Menschen zurück. Da nimmt Gott selbst sich der Sache an, erzählt die Bibel. Er schickt seinen Propheten Nathan zum König. Ein Prophet, das ist ja nicht bloß einer, der etwas vorhersagt. Das ist eigentlich einer, der etwas heraussagt. Gerade heraus sagt, was er von Gott gehört hat. So ein Prophet hatte damals Autorität. Da hat sogar ein ungerechter König erst einmal zugehört.

Und Nathan macht das wirklich geschickt: Er erzählt David eine kleine Geschichte. Da ist ein Reicher, sagt er, der hat viele Schafe und Rinder. Und ein Armer, der hat nur ein kleines Lämmchen, das hat er selbst großgezogen, und es sitzt mit an seinem Tisch und schläft auf seinem Schoß. Da bekommt der Reiche eines Tages Besuch. Dem will er etwas vorsetzen. Aber er ist geizig. Also nimmt er das Lämmchen des Armen, schlachtet es und setzt es seinem Gast vor.

Da wird der König zornig. „Der Mann muss sterben!“, ruft er. Und der Prophet antwortet: „Du selbst bist dieser Mann“. Da geht der König tatsächlich in sich. Manchmal ist eine Strafpredigt bitter notwendig. Wie kann man sie so halten, dass sie auch hilft?

II
Nathan hat einen Umweg über eine kleine Geschichte gewählt. Der König soll als Richter entscheiden. Und spricht sich sein eigenes Urteil. Das ist wirklich geschickt.
Ich stelle mir mal vor, Nathan hätte es anders gemacht. Wäre gleich zum Kern der Sache gekommen. David hätte Entschuldigungen und Selbstrechtfertigungen gesucht – und gefunden. Ich kenne das doch von mir selbst. Wenn mir einer heftige Vorwürfe macht, dann fange ich an, mich zu verteidigen. Dann suche ich Gründe, warum ich gar nicht schuldig bin. Oder warum man doch einfach verstehen muss, dass ich so gehandelt habe.

Und ich bin da keine Ausnahme, scheint mir. Die anderen machen es auch so. Wenn ich jemandem vorhalte, was er getan hat, dann läuft das ganz genauso ab. Der andere rechtfertigt sich und schiebt womöglich mir den schwarzen Peter zu. Auf einmal bin ich Schuld und soll mich auch noch entschuldigen für meine Vorwürfe.  

Dieses Muster ist leider üblich. Aber so ändert sich nichts. Und darum finde ich so genial, wie Nathan zu Werke geht. Er hilft dem König, den Fall erst einmal ganz unabhängig von seiner Person zu verstehen. Der Reiche, der dem Armen sein geliebtes Lämmchen wegnimmt und es seinem Besuch zum Essen vorsetzt – ja, das ist doch jedem klar, dass das einfach gar nicht geht! So würde jeder urteilen!

So bekommt der König die Möglichkeit, seinen Fehler zu verstehen. Dann macht der Prophet ihm klar: Genauso hast du gehandelt! Da schafft der König es, sein Vergehen einzugestehen und zu bereuen.

Wer seine Tat wirklich bereut, der kann Verantwortung übernehmen für sein Tun. Der überlegt: Warum ist das gerade mir passiert? Wie konnte ich das tun? Was kann ich jetzt tun, um es wieder gutzumachen? Wie verhindere ich, dass mir das wieder geschieht? Und wie kann ich weiterleben mit dem, was ich nicht wieder gutmachen kann? Ohne dass ich über meine Tat einfach schweige und hinweggehe? Wie kann ich trotz meiner Schuld die Aufgaben erfüllen, die ich ja weiter habe? So wie David ja weiter König war. Und Recht sprechen musste, ausgerechnet er!

Aber mit solchen Fragen bin ich längst nicht mehr nur bei David. Da bin ich auch bei mir selbst, bei Ihnen, bei allen Menschen, mit denen Sie und ich zu tun bekommen. Denn kein Mensch ist davor gefeit, Fehler zu machen. Auch wenn es nicht immer so schreckliche sind wie bei König David. Aber ich kehre vor meiner eigenen Tür. Wenn ich begriffen habe, was geschehen ist – dann kann ich es besser machen. Den Versuch ist es immer wert!

Ich wünsche Ihnen einen unbeschwerten Sonntag!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24788
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