SWR1 Begegnungen

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Annette Bassler trifft Malika LaabdallaouiMalika Laabdallaoui

Gelebte Vielfalt

Ich habe lange gebraucht, um ihren Namen richtig aussprechen zu können. Sie hat Jahre gebraucht, um in Deutschland anzukommen. Heute ist die 51 Jährige Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Rheinland- Pfalz. Und sie arbeitet als Diplompsychologin mit ihrem Mann in einer eigenen Psychotherapeutischen Praxis. Und genau dort sitze ich ihr dann gegenüber- einer warmherzigen Frau mit Kopftuch.

Ich weiß dass viele Menschen zu mir kommen, weil ich Muslima bin. Sie kommen gern zu mir, weil sie das Gefühl haben oder die Erwartung haben, besser verstanden zu werden, und dass ich vielleicht auch ihre kulturelle religiöse Prägung im Hintergrund habe.

Und die finde ich sehr spannend. Aufgewachsen im ländlichen Marokko kam sie mit 13 Jahren nach Deutschland, hat sich durchgekämpft bis zum erfolgreich bestandenen Abitur. Dann wollte sie wieder nach Marokko zurück. Um zu merken: es geht nicht mehr. Warum?

Ausschlaggebend war, dass ich diese Vielfalt dort nicht gefunden habe. Ich hatte mir einen Freundeskreis aufgebaut, der ganz, ganz gemischt war und auch verschiedene Sprachen, verschiedene Kulturen und das habe ich dort nicht mehr vorgefunden. Es war alles so einheitlich.

Der Reichtum dieser Vielfalt der Religionen und Kulturen. Den erlebe ich auch, als ich ihr in ihrer Praxis gegenübersitze. Für mich wäre es eine Einengung, Kopftuch zu tragen. Für sie ist das Freiheit. Ein äußeres Zeichen ihrer inneren Verbundenheit mit Gott. Und ich frage mich: wie zeige ich eigentlich meine Verbundenheit mit Gott?

Wenn ich jemand begegne, der mir Fragen stellt zu meiner Kultur, zu meiner Religion stellt, dann muss ich mich damit auseinandersetzen, ich muss darüber reflektieren, und dann der andere stellt mir auch Fragen, die mich bereichern.

Was mich an Malika Laabdallaoui fasziniert ist: sie kann sich selber immer wieder infrage stellen, ohne Angst, sich dabei zu verlieren. Vielleicht weil sie weiß: Mein Vertrauen in Gott kann erschüttert, aber nicht zerstört werden. Das ist auch meine Erfahrung mit Gott und deshalb fühle ich mich über die Unterschiedlichkeit unserer Religionen hinweg mit ihr verbunden.

Ich bin überzeugt, dass alles im Leben einen Sinn hat, auch die schweren Schicksalsschläge, auch die Dinge, die nicht so klappen, wie wir das gerne haben wollen wie eine Ehe, die in die Brüche geht, oder ein Kind, das nicht so funktioniert, wie wir das gerne hätten. Oft ist das nur schmerzhaft und nur traurig. Aber später merken wir oft, dass es doch Sinn macht, dieses erlebt zu haben, um eben einmal daraus zu lernen oder sich weiterzuentwickeln.

Gesellschaftliche Aufgabe der Zukunft

Malika Laabdallaoui ist Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Rheinland- Pfalz. Diese politische Arbeit ist auch aus den Einblicken erwachsen, die sie als Psychotherapeutin immer wieder erlebt. Viele Muslime sind sehr fromm, sagt sie. Deshalb kommen zum Beispiel auch Ehepaare zu ihr, bei denen sich beide in ihrem Konflikt auf islamische Rechte und Traditionen beziehen.

Das ist so, wie wenn man bei Ehekonflikten sich auf das Grundgesetz beziehen würde. Wann bezieht man sich auf das Grundgesetz? Wenn man nicht miteinander kommuniziert, wenn man einander nicht mehr zuhört. Wenn sie mit diesen islamischen Sachen kommen, dann lasse ich das oft ganz zur Seite und frag: was ist eigentlich das Thema? Um was geht es denn hier eigentlich? Und dann sind wir mittendrin.

Und zwar bei den Ängsten, über die sie nicht reden können, bei der Unfähigkeit, einander zuzuhören. Zu diesen hausgemachten Konflikten  kommt auf muslimische Familien oft noch Druck von außen hinzu.

Was bei Migranten hinzukommt, sind Diskriminierungserfahrungen, die andere vielleicht nicht so machen. Und Arbeitslosigkeit ist bei Migranten häufiger.

Diese Beobachtungen kann Malika Laabdallaoui dann als Vorsitzende im Zentralrat der Muslime in Rheinland- Pfalz einbringen. Dieser Verband engagiert sich auch stark für Jugendliche, die in Gefahr stehen, sich zu radikalisieren. Durch Vermittlung von Patenschaften, durch Beratungsangebote wie "Safer spaces".

Die versuchen mit den Jugendlichen direkt in Kontakt zu kommen, auch in Gefängnissen aktiv zu werden und dann gibt’s viele Initiativen und die werden vernetzt.

Dieses Engagement geschieht ehrenamtlich, neben der Lohn-und Brot-Arbeit her. Weshalb sich Malika Laabdallaoui materielle Unterstützung, um dieses Engagement auf solide strukturelle Füße stellen zu können. Denn an Ideen mangelt es nicht, bei der Integration derer zu helfen, die aus Krieg und Hunger nach Deutschland geflüchtet sind. Ein Engagement für den Frieden- über die Grenzen von Religion und Kultur hinweg- das wünscht sich Malika Laabdallaoui. Dieses Engagement fängt im Kopf an-

Die Einsicht, dass es im Leben nicht nur eine Wahrheit gibt, dass es viele Wahrheiten gibt und dass andere Menschen, die vielleicht  nicht so die Einstellung haben wie wir, dass das vielleicht auch gut ist. Und nicht die Einstellung zu haben, unser Denken ist besser und das müssen die Anderen lernen. Wenn das gut ist, dann werden die Leute das annehmen, sie werden das sehen durch Erfahrungen, durch das Miteinander.

Ich glaube, so könnte sie gelingen, die Integration. Als ein wechselseitiger Prozess. Man begegnet einander, respektiert, was dem Anderen heilig ist. Und entwickelt sich am Anderen weiter.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24682
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