Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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In meiner Straße lernt gerade ein kleiner Junge Fahrradfahren. Von meinem Schreibtisch aus kann ich das gut beobachten. Voll Lust und Ehrgeiz sitzt er auf seinem neuen Rad und übt und übt. Mal rennt der Vater nebenher, mal die Mutter. Im Laufschritt begleiten sie ihren Sohn. Halten am Sattel fest, lassen für kurze Momente los und packen gleich darauf wieder zu.

Fahrradfahren lernen. Das ist gar nicht so einfach. Das geht nicht ohne kleine und etwas größere Stürze. Ohne aufgeschürfte Knie und Löcher in den Hosen. Und zum Fahrradfahren lernen gehört auch, dass andere nebenher laufen, einen begleiten und Mut machen. Dass andere sagen: „Du schaffst das. Probier‘s nochmal! Und wenn es heute noch nicht klappt, dann bestimmt morgen.“ So rufen zumindest die jungen Eltern in meiner Straße.

Halten und loslassen, begleiten und zutrauen -  das kenne ich aus vielen Situationen. Auch vom Fahrradfahren lernen mit den Kindern. Das ist lange her. Meine Kinder sind mittlerweile erwachsen. Trotzdem muss ich das immer noch! Wie alle Eltern - ein Leben lang.

Wenn die Kinder ihre eigenen Wege gehen. Sich immer mehr aus meinem Blickfeld verabschieden. Wenn sie Pläne im Kopf haben, die mir fremd sind. Wenn sie sagen: „Ich mach das alleine!“

Heute halte ich keinen Sattel mehr fest und renne auch nicht nebenher. Aber: Ich halte sie in meinen Gedanken und begleite sie mit meinen Gebeten. Ich halte sie und lasse sie dennoch los. Und ich vertraue, dass sie nun selbst genug Halt haben. Dass klappt, was sie vorhaben.

Stürze wird es immer wieder geben. Aber ich hoffe dabei, dass sie schnell wieder auf die Beine kommen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24453
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