SWR1 Begegnungen

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Elke Rutzenhöfer ist promovierte evangelische Theologin und Germanistin. Sie ist Geschäftsführerin des Wichern-Verlages und lebt in Berlin-Kreuzberg. Wir treffen uns in ihrem Büro. Unseren ersten Kontakt hatten wir vor 15 Jahren. Damals betreute sie als Lektorin eines meiner ersten Bücher. Richtig kennengelernt haben wir uns aber erst im letzten Jahr. Auf einer ökumenischen
Kreuzfahrt zu den Ländern der Reformation. Anlass war das diesjährige Reformationsjubiläum. Frau Rutzenhöfer ist befreundet
mit Margot Kässmann, die auf dem Schiff den Part der evangelischen Bordpfarrerin übernommen hatte, ich war für diese Zeit ihr katholisches Pendant. Schön zu hören, was Frau Rutzenhöfer in guter Erinnerung behalten hat.

Dass sich auf diesem Schiff so etwas wie eine ökumenische Spiritualität gezeigt hat von der ich vorher dachte, dass es die gar nicht gibt.

Es verbindet uns mehr als uns trennt. Das kann ich unterschreiben. Und auch das, was sie sich als Frucht des Reformationsjubiläums für beide Kirchen wünscht.

Dass es nicht mehr drauf ankommt die Profile zu schärfen sondern geschwisterlich offen zu sein gegenüber all denen, die sich Nichtchristen nennen. Also die entweder einer anderen Religion angehören oder gar keiner.

Im Jubiläumsjahr dreht sich natürlich alles um die große Gestalt der evangelischen Kirche: um Martin Luther. Es gibt große Ausstellungen und Events zu seinem Leben und Werk und kritische Diskussionen über negative Seiten seiner Persönlichkeit, z.B. sein unakzeptables Verhältnis zu den Juden. Es gibt alle möglichen Formen der medialen Aufbereitung bis hin zum Merchandising aller Art. Die kleine Martin Luther Figur von Playmobil wurde bisher über 750.000 Mal verkauft. Die erfolgreichste Playmobilfigur aller Zeiten Auch ich hab’ sie mittlerweile geschenkt bekommen.

Ich meine, wir sind jetzt so in einer Zeit  wo man soviel historisches Bewusstsein hat, dass niemand ihn mehr zum Helden stilisiert. Aber die Gefahr ist ja immer in so einem Lutherjahr dass wir ihn dann doch zu einer Kultfigur machen. Find ich nicht so tragisch, dass ist in Zeiten von Massenkommunikation so.

Als evangelische Theologin hat sich Elke Rutzenhöfer natürlich intensiv und inhaltlich mit dem großen Reformator beschäftigt. 

Also was ich am meisten an ihm schätze ist dass sich doch immer wieder herausstellt, dass er mehr Lebensfreude hatte als Angst. Angst scheint ja die zweite Seite von ihm gewesen zu sein. Womit ich wahrscheinlich überhaupt nicht zurecht gekommen wäre, wenn ich ihn gekannt hätte, wäre sein Jähzorn und sein Rabaukentum, diese Masslosigkeit in der Anklage. Diese völlige Masslosigkeit bei denen er denkt, die sind nicht auf seiner Linie.

Was Martin Luther mit dem Kirchenvater Augustinus verbindet und warum Elke Rutzenhöfer glaubt, dass evangelische Christen sich Papst Franziskus auch als ihren Papst vorstellen können, dazu mehr nach dem nächsten Titel.

Teil II

… und mit Dr. Elke Rutzenhöfer, Lektorin und Geschäftsführerin des evangelischen Wichern-Verlages. 1959 geboren studierte sie nach ihrer Schulzeit in Berlin Germanistik und Theologie. Beide Felder gehören zu ihrem beruflichen wie zu ihrem privaten Leben. Die leidenschaftliche Joggerin hält sich fit durch Laufen zum Tagesbeginn, aber vorher ist Literatur angesagt. Sie liebt die frühen Morgenstunden um zu lesen. Ihr Interesse ist breit gestreut und nicht nur auf rein christliche Literatur fokussiert. Auch wenn diese heute positiver gesehen wird als noch vor einigen Jahren.

Ich glaube wir haben nicht mehr diese Zeit wo man so mit spitzen Fingern christliche Texte oder auch biblische Texte anfasst. Als ich Germanistik studiert habe war christliche Literatur fast gleichbedeutend mit so ein bisschen Schund, Trivialliteratur -als sei da immer eine Missionierungskeule dabei. Und das haben wir nicht mehr.

 Ihre Examensarbeit im Fach Germanistik schrieb sie über Thomas Mann’s mehrbändiges Werk „Josef und seine Brüder“. In Theologie promovierte sie über Augustinus, den großen Kirchenvater. Das Interesse an der Beschäftigung mit dessen Schriften ist bis heute lebendig. Einige Worte waren Wegbegleiter.

Eines was mich bis heute ganz stark bewegt ist: „Und unruhig ist unser Herz bevor es ruht in dir.“ Das ist diese melancholische Haltung und diese Sehnsucht nach der Einheit.

Elke Rutzenhöfer sieht Parallelen und Verbindungslinien von Augustinus zu Martin Luther. Der große Kirchenvater lässt sich sowieso nicht von einer Konfession vereinnahmen und gehört zum gemeinsamen Erbe. Mit dem man sich auseinandersetzt.

Die Wahrheit in der Schrift zu finden - das hat Luther sicher auch stark von Augustinus gehabt. Und sich zu erforschen, das Gewissen zu erforschen, da gibt es sicher auch eine Brücke. Also Augustinus gehört uns allen.

Stimmt. So wie viele große Glaubensgestalten und Heilige, die vor der Reformation lebten und wirkten. Aber auch heute gibt es Persönlichkeiten, die durch ihr Charisma Grenzen überspringen und faszinieren. Bei einer Persönlichkeit wird das besonderes deutlich. Ich meine Papst Franziskus.

Es gab jetzt vor kurzem in der Zeit ein Interview mit ihm, da dachte ich also das ist ein Jahrhundertinterview. Es gab wahrscheinlich noch nie einen Papst der so freiherzig gesprochen hat wie er. Und ich würde mal sagen die meisten evangelischen Leute könnten sich den durchaus auch als ihren Papst vorstellen, denn ich vermute mal, der hat mindestens so viele Fans bei den Protestanten wie bei den Katholiken.

Vielleicht hilft das ja auch, das Tempo in Richtung Wiedervereinigung der Kirchen zu erhöhen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Elke Rutzenhöfer hofft es.

Das versteht von aussen ohnehin niemand mehr warum es diese zwei getrennten Kirchen gibt. Das mag alles formal seine Notwendigkeit haben, aber es sollten geistig-geistlich eigentlich wenig Gräben zu spüren sein. Das wäre mein Wunsch.

 Und meiner auch. Mit großem Ausrufezeichen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24416
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