SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Auf einmal erlebt man einen guten Bekannten ganz anders als sonst. Ist Ihnen das nicht auch schon einmal so gegangen? Normalerweise ist ein Freund die Ruhe selbst. Doch wenn ihn etwas ärgert, dann kann er richtig aufbrausend sein. Oder eine Freundin ist sonst immer sehr still. Plötzlich erlebe ich sie in einem anderen Zusammenhang. Dort steht sie im Mittelpunkt und hat auf einmal gar keine Scheu, in einer großen Gruppe zu sprechen. Ich schüttele verwundert den Kopf und sage: „Ich kenne dich gar nicht wieder!“

Den anderen geht es ja mit mir nicht anders. Wenn ich höre, wie andere mich beschreiben, dann frage ich mich manchmal: So soll ich sein? So – und so auch noch – und jetzt wieder ganz anders? Aber das widerspricht sich doch völlig!  Oder ich höre, wie Leute über jemanden herziehen, den ich eigentlich sehr nett finde. Oder umgekehrt: begeistert über eine Person erzählen, die ich äußerst fragwürdig finde. Es ist offenbar gar nicht so leicht, einen Menschen zu beschreiben. Es kommt auf die Situation an. Und auf die Menschen, die etwas Bestimmtes mit ihm erleben. Und bestimmte Dinge wichtig finden.

Ist das bei Gott womöglich ähnlich? Juden, Christen und Muslime beschreiben Gott tatsächlich unterschiedlich. Und dann doch wieder so gleich, dass man wirklich merkt: Das ist immer ein und derselbe Gott. Es gibt ja auch wirklich nur einen Gott. Aber die Menschen erkennen immer nur einen Teil von ihm. Gott ist mehr und größer als das, was Menschen erkennen.

Schon von Anfang an haben Christen das begriffen. Und Namen gefunden für Gott, der sich so verschieden bemerkbar macht: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Der heutige Sonntag erinnert genau daran: er heißt Dreifaltigkeitssonntag. Er steht nicht so im Mittelpunkt wie Weihnachten, Ostern oder auch noch Pfingsten. Dabei geht es hier um etwas ganz Zentrales im christlichen Glauben. Manche sagen: das Zentrale. Es geht um die Frage, wer der christliche Gott eigentlich ist.
Vater, Sohn, Heiliger Geist: Ja, sind das nun drei Götter?! Oder doch einer?

Juden und Muslime verwirrt das. Sie halten den Christen gerne vor: Im Grunde habt ihr ja doch drei Götter. Jedenfalls nimmt es unserem gemeinsamen Gott etwas von seiner Einmaligkeit, wenn da plötzlich von drei Personen die Rede ist. Ein Mensch ist doch schließlich auch immer ein und dieselbe Person. Höchstens mit unterschiedlichen Eigenschaften. Vielleicht ist das bei Gott ja anders. Aber dann wird es auch richtig kompliziert. Unnötig kompliziert, finden auch viele Christen.

Vater, Sohn, Heiliger Geist: Sind das nur unterschiedliche Wahrnehmungen von Gott? Ein unterschiedliches Verständnis, eine unterschiedliche Art, den Glauben an Gott auszudrücken?

II
Die Erfahrungen, die Menschen mit Gott machen, sind nicht leicht in Worte zu fassen. Alle Worte über Gott bleiben Annäherungen.
Vater, Sohn, Heiliger Geist: das klingt geheimnisvoll. Und damit ist es eigentlich schon eine passende Beschreibung für das Geheimnis Gott! Man darf nur nicht Gott auf diese geheimnisvollen Wortbilder und Bildworte festlegen. „Vater“, das ist nur eins unter vielen Bildern, die die Bibel für Gott benutzt. „Mutter“ ist übrigens auch darunter.

Der „Sohn“ – das ist mehr als nur Jesus als Mensch. In Jesus haben Menschen etwas von Gott gespürt. Jesus ist das „menschliche Gesicht Gottes“, hat ein englischer Bischof einmal gesagt. Wenn ich also über Jesus spreche, dann kann ich über Gott nicht mehr abstrakt denken. Dann erzähle ich Geschichten. Dann erzähle ich, wie Jesus sich Menschen zuwendet. Wie er auf die hört, auf die keiner mehr hört. Wie er die in die Mitte holt, die immer am Rand stehen. So ist Gott, sagen diese Geschichten.

Aber damit könnte es nun eigentlich fertig sein. Für Christen ist Gott immer der Gott, der sich den Menschen zuwendet. So wie Jesus es getan hat. Gott ist Vater und Sohn. Das würde doch reichen! Und Christen nennen sich Gottes Kinder, weil Jesus ihr Menschen-Bruder ist.

Doch jetzt kommt noch etwas Drittes. Jetzt kommt der Heilige Geist. Gottes Geist. Der ist immer dabei. Schon bei der Schöpfung schwebt er auf dem Wasser, heißt es am Anfang der Bibel. Er ist dabei, wenn Menschen etwas Besonderes tun sollen. Wenn sie einen besonderen Auftrag haben. Die Kunsthandwerker, die im alten Israel das Heiligtum bauen sollen – die haben dafür sogar alle einen besonderen Geist von Gott!

Dann ist der Heilige Geist dabei, als Jesus getauft wird. Und vor allem, als die Kirche entsteht. Als die Menschen, die Jesus um sich gesammelt hat, zu einer richtigen Gemeinschaft werden. Die Pfingstgeschichte erzählt, wie ganz Fremde sich auf einmal verstehen können.

Gott verbindet Menschen zu einer Gemeinschaft. Auch heute kann man das so erleben. Menschen verstehen sich über Grenzen hinweg. Sie lernen, die Welt mit den Augen der anderen zu sehen. Damit das funktioniert, zeigt Gott sich mal so und mal so. Eine bunte Vielfalt. Je nachdem, wie Menschen seine Nähe brauchen. Je nachdem, wie Gott ihnen nahe sein kann. Aber dreifaltig lässt Gott sich immer wieder erkennen.

Ich bin ein Kind Gottes – des Vaters, des Sohnes, des Heiligen Geistes. Und ich wünsche Ihnen als Gotteskindern einen schönen Dreifaltigkeitssonntag!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24351
weiterlesen...