SWR2 Zum Feiertag

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Mein Gesprächspartner heute an Christi Himmelfahrt ist Herr Professor Ruggero Vimercati-Sanseverino. Wir haben uns vor ziemlich genau zwei Jahren auf dem Marktplatz in Tübingen kennen gelernt. Sie waren Teilnehmer eines Podiumsgesprächs, das ich moderiert habe. Damals habe ich zuerst gedacht, sein Name ist zu hundert Prozent italienisch und der Mann ist bestimmt katholisch. Aber das stimmt nicht.

Ja, Sie haben ganz recht, mein Name ist zu 100% italienisch, ich bin in Italien geboren, in der Nähe von Rom und mein Vater ist auch Italiener, ich bin aber seit ich 6 bin so ungefähr in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert. Deshalb betrachte ich mich auch als Europäer, weil ich auch in anderen europäischen Ländern unterwegs war, meine Frau ist Französin…

…und Sie sind Muslim - wie sind Sie zum Islam gekommen?

Ja, wie bin ich zum Islam gekommen – das ist eine lange Geschichte. Wie das so ist, ich sage immer eigentlich eine ganz normale spirituelle Suche. Hier bin ich auf die Religionen gestoßen. Ich habe mit dem Christentum angefangen, habe meinen Horizont dann aber auch erweitert auf andere Religionen, habe mich für den Hinduismus interessiert, war dann auch in Indien und habe dann den Islam für mich entdeckt. Gar nicht, weil ich mich für die arabische Kultur interessiert habe, sondern einfach so, weil ich dort eine sehr lebendige Spiritualität entdeckt habe, im Sufismus, was dann dazu geführt hat, dass ich mit 22 Jahren Muslim geworden bin.

…und dazu, dass Sie jetzt Juniorprofessor im Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen geworden sind. In Deutschland gibt es noch an anderen Universitäten solche Islamischen Zentren, aber nur das in Tübingen wird bald eine eigene richtige Fakultät werden. So wie die der christlichen Theologien hier. Wie ist die Zusammenarbeit mit den evangelischen und den katholischen Theologen?

Ja, das ist eine sehr enge Zusammenarbeit, seit der Gründung des Zentrums, und wir arbeiten in vielen Projekten zusammen, aber auch in der Lehre, wir haben eine christlich -muslimische Gesprächsrunde - aber auch größere internationale Forschungsprojekte, die wir zusammen machen und dieser Dialog zwischen den drei Theologien ist natürlich für den Standort Tübingen profilbildend…

Ja, seit 2016 haben Sie in Tübingen in Ihrem Islamischen Zentrum den Lehrstuhl für Hadith-Wissenschaften und prophetische Tradition inne. Was hat es mit diesem Lehrstuhl auf sich und was lehren Sie dort?

Das ist ein ganz spannendes Projekt, weil es der erste Lehrstuhl deutschlandweit ist, der sich spezifisch mit der Figur des Propheten auseinander setzt, also mit dem, was er gesagt und getan hat, auch im Hinblick auf heute, Hadithe sind ja die Berichte und Erzählungen über das, was der Prophet gesagt oder getan hat. Die Theologie, die wir betreiben ist selbstverständlich immer gegenwartsbezogen. Denn es gibt ja aus bekannten Gründen viel zu tun - gerade heute…Wir werden ja von Anfragen regelrecht überschwemmt. Aber da muss man auch ein bisschen Geduld haben…

In diesen Hadithen, also den schriftlichen Überlieferungen des Islam, spielt Jesus auch eine bedeutende Rolle und auch seine Himmelfahrt, das Fest feiern wir Christen heute. Die christliche Tradition feiert ja 50 Tage lang Ostern. Christus ist auferstanden nach seiner Kreuzigung, er ist nicht tot, er lebt weiter - aber anders als vorher. Für dieses „anders“ steht das Fest Christi Himmelfahrt heute. Was wird denn in den Hadithen über die Himmelfahrt Jesu berichtet?

Also die Himmelfahrt Jesu wird sogar im Koran thematisiert, aber nur in einem Vers, in dem sozusagen erklärt wird, dass Jesus in den Himmel gehoben wird. Wobei sich das etwas anders darstellt als in der christlichen Lehre, zum Beispiel das Thema Kreuzigung, aber die Himmelfahrt Jesu, wird sozusagen vom Islam verarbeitet. In den Hadithen wird die Himmelfahrt soweit ich weiß nicht so sehr thematisiert, aber Jesus als Person, als Prophet und da nimmt Jesus nun doch eine besondere Stellung ein, weil er keinen biologischen Vater hatte, das wird auch im Islam so gesehen, also die Jungfräulichkeit Marias wird auch vom Islam so anerkannt und die Geburt als etwas Wundersames sozusagen als eine Offenbarung betrachtet– Jesus als Wort Gottes und als Geist von Gott…

Und jetzt wird aber vom Propheten Mohamed auch von einer Himmelfahrt berichtet, aber anders als von der Himmelfahrt Jesu.

Ja die Himmelfahrt des Propheten Mohamed findet in der Mitte der prophetischen Mission statt, die wird ja unterteilt in die Periode in Mekka und die Periode in Medina. Und vor der Auswanderung - die markiert den Beginn der islamischen Zeitrechnung - ist also ganz wichtig - also vor dieser Auswanderung fand diese Himmelfahrt des Propheten statt und wird auch gefeiert…

Aber die Himmelfahrt findet zu Lebzeiten des Propheten statt und der Prophet kommt als ganz irdischer Mensch nochmals zurück auf die Erde nach seiner Himmelfahrt.

Das ist ein ganz wichtiger Punkt, das wird sozusagen als einer der Vorzüge des Propheten verstanden, dass er auf die Erde zurückgekommen ist, dass er sich sozusagen in den Dienst der Menschen gestellt hat obwohl er, so sag ich mal, lieber bei Gott geblieben wäre… aber er ist nochmal zurückgekommen, um das, was er sozusagen in Gottes Angesicht erlebt hat, den Menschen zu verkünden. Die fünf Gebete des Islam, die ja ganz maßgeblich sind und täglich verrichtet werden, wurden ja dem Propheten auch bei dieser Gelegenheit offenbart und er hat sie sozusagen von seiner Himmelsreise den Menschen mitgebracht.

Aber beide Himmelfahrtstraditionen haben etwas damit zu tun, dass der Himmel, der Bereich Gottes, mit dem irdischen Bereich verbunden wird. Welche Vorstellung vom Himmel prägt denn den Islam?

Also die Himmelfahrt wird auch im Islam als spirituelles Ereignis gesehen. Die Heiligen gehen sozusagen dann bei ihrer Himmelsreise den Weg des Propheten nach. Der Prophet hat gesagt, dass die Gläubigen die Möglichkeit haben durch ihr fünfmaliges Gebet, diese Himmelsreise zu machen, im Alltag, da gibt es verschiedene Symbole beim Gebet. Die theologische Bedeutung ist natürlich die Erfahrung der Transzendenz – was auch im Koran mit dem Himmel in Verbindung gebracht wird. Und im Laufe seiner Himmelsreise durchschreitet der Prophet ja auch die verschiedenen Stufen des Paradieses, die von verschiedenen Propheten vor ihm schon vorgestanden worden sind. Er trifft dann auch welche, Johannes den Täufer beispielsweise, Abraham, Josef – und er beschreibt dann auch die einzelnen Propheten, das heißt also auch vom Aussehen her. Und die Frage wie der Himmel aussieht wird in der Himmelsreise nicht beantwortet, aber der wird im Koran beschrieben…

Herr Vimercati, ich kann mit Ihnen heute kein Gespräch führen ohne auf das Thema, das die Menschen beschäftigt, zu sprechen zu kommen, den Dialog zwischen den Religionen, in Deutschland und weltweit. Wie ist das mit dem Frieden zwischen Religionen. Kann es den geben und hilft uns da vielleicht der Blick auf den Himmel weiter?

Ja, ich denke es muss ihn geben, das liegt im Interesse aller Menschen, nicht nur im Interesse derjenigen, die betroffen sind, also Christen oder Muslime sind – es kann keinen Weltfrieden geben, ohne dass es auch einen effektiven Dialog und eine Verständigung zwischen den Religionen gibt und auch einen Dialog zwischen den Religionen gibt. Ob es ihn geben kann? Es hat ihn in der Geschichte schon sehr oft gegeben. Seltsamerweise ist es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verstärkt aufgetreten, komplexer geworden, überschaubarer und da vermischen sich eben auch sehr viele Faktoren, die nichts mit der Religion zu tun haben müssten, aber wissentlich oder manchmal unwissentlich instrumentalisiert werden und eine Herausforderung in diesem Sinne wäre eben erst einmal zu klären inwieweit wird hier aus einer Religion eine Ideologie gemacht - in der Religion an sich liegt eigentlich ein sehr großes Friedenspotential. Die Erfahrungen sind da, von der theologischen Reflexion, vom theologischen Inhalt her, ist das nicht das Problem, ob es Frieden gibt. Es geht vielmehr darum die friedlichen Ressourcen zu aktivieren und dass dieser Prozess nicht durch politische und gesellschaftliche Konflikte oder ökonomische Probleme blockiert wird. Die Herausforderung, die uns im 21. Jahrhundert erwartet, ist ja, dass es bekanntlich dadurch gekennzeichnet sein soll, dass die Religionen wieder eine ganz besondere Bedeutung haben werden.

Herr Vimercati, morgen beginnt für Sie und die anderen Muslime der Ramadan, der Fastenmonat, eine heilige Zeit. Ich wünsche Ihnen dazu den Segen des barmherzigen Gottes, der größer ist als unser Verstand je fassen kann und ich danke Ihnen für dieses Gespräch!

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24316
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