SWR1 Begegnungen

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Christian Albecker, Foto: Claude Truong-NgocWolf-Dieter Steinmann trifft Christian Albecker, Präsident der Protestantischen Kirchen von Elsass und Lothringen in Straßburg

Sorge um und für die Zukunft
Seit 3 Jahren ist er Präsident der Evangelischen Kirchen im Elsass und Lothringen. ‚Sie können auch „Albecker“ (dt. gesprochen) sagen‘, hat er gesagt. Als Elsässer schlägt er Brücken zwischen deutsch und französisch. Es beschäftigt ihn sehr, auch als Christ, wie es weitergeht mit seinem Frankreich: Tief gespalten. Die Parteien, die immer regiert hatten, ohne Glaubwürdigkeit.

Natürlich bin ich selbst und viele andere besorgt.

Wir sind alle verantwortlich für was geschieht in der Politik. Wenn wir nichts tun, entscheiden andere für uns. Wir haben nicht zu sagen, wählt für diese oder diese. Aber es ist wichtig, dass ihr in der Gesellschaft auch als Zeugen Christ seid und mitmacht. Es geht grundsätzlich immer mehr um Werte dh. was ist wichtig für uns als Christen.

Christ ist man auch als Bürger. Grundwerte, für ihn als Franzosen sind das „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Und die verbindet er mit christlichen: Offenheit, Nächstenliebe, die allen Menschen gilt. Aber viele Menschen tun sich schwer damit, weil sie verunsichert sind.

Die Leute haben grundsätzlich Angst. Ich glaube, die Leute verstehen die Welt nicht mehr und dann wird es emotional und irrationell. Die Aufgabe der Kirche wäre, die Leute zu hören, zu verstehen und auch eine Botschaft zu sagen. Das Evangelium ist nicht die Angst, es ist der Glauben und die Hoffnung.

Und Versöhnung. Dazu mahnt ihn auch der morgige 8. Mai. Vor 72 Jahren endete der 2. Weltkrieg. Er denkt dabei auch an seine Urgroßmutter: 5 mal musste sie die Nationalität wechseln und noch als alte Frau vor den Deutschen flüchten.

Die Folgen des Krieges und des Nationalismus waren furchtbar für unsere Region. Für all diese Geschichte müssen wir unbedingt die deutsch-französische Freundschaft und den Frieden fördern.

Dazu wäre gut, wenn beide Länder weniger arrogant würden.

Die Franzosen auf kultureller Ebene: Also: Unsere Kultur, die Deutschen, die sind hinter dem Mond zu Hause. Und die Deutschen, die sind auf wirtschaftlicher Ebene arrogant. Und da müssen wir beide vielleicht ein bisschen demütiger sein.

 Für sein Land hofft er auf neue Wege aus der politischen Krise. Und glaubt, da kann man von Deutschland lernen.

Warum kann man nicht einen Konsens in grundsätzlichen Fragen haben? Dann kann man auf andere Fragen, die nicht so wichtig sind auch andere Meinungen haben. Ich hoffe, dass wir in dieser schwierigen Lage mit solch einer Lösung weiterkommen.

Ein Grundkonsens könnte Parteien koalitionsfähig machen, etwas was in Frankreich bisher kaum gab. Dass es das bei uns gibt, dazu hat auch die ökumenische Religionskultur ihr Teil getan, meint er.

Weil es immer schon gleichgewichtig Evangelische und Katholiken gab. In Deutschland ist man mehr gewöhnt, dass es Menschen gibt, die anders denken und glauben, deswegen muss man Kompromisse finden.

Christian Albecker will, dass Religionen öffentlich ihren Platz bekommen.

Religiös im laizistischen Frankreich
Christian Albecker (frz.), oder Albecker (dt.) ist der Präsident der Protestantischen Kirchen in Elsass und Lothringen. 250000 Protestanten sind sie, etwa 1/7 der Bevölkerung. Mehr als ich dachte. Überhaupt spüre ich bei unserer Begegnung: Es bräuchte noch mehr Verbindungen wie die zwischen 2 Winzergemeinden in Baden und Elsass. Die haben einen gemeinsamen Wein kreiert. Und mit dem badischen Landesbischof und ihm deutsch-französisch gefeiert.

Wir machen ne besondere cuvée für 500 Jahre Reformation. Das machen wir auf einem Schiff, auf dem Rhein. Dann haben wir zuerst Gottesdienst gefeiert und Jochen Cornelius-Bundschuh und ich haben gepredigt. Jochen auf Deutsch und ich auf Französisch.

Das wird wahrgenommen. Wenn Kirchen sich öffentlich zeigen und einbringen. Überhaupt spürt er: Im laizistischen Frankreich wird Religion Thema, trotz der Trennung von Kirche und Staat.

Jetzt haben unsere Politiker die Erfahrung gemacht, dass man nicht mehr sagt: ‚Religion ist eine rein private Sache.‘ Wenn man das sagt, dann treffen sich die Muslime in Hinterhöfen und man weiß gar nicht, was da geschieht. Das Trennungsgesetz von 1905 sagt: Man darf die Religionen nicht finanzieren. Dann geht es so, dass man Imame hat, die sind von der Türkei oder Marokko bezahlt. Ist das besser?

Christian Albecker hofft, dass der Staat aktivere Religionspolitik treibt. ZB. auch finanziell. Dass er mit den Religionen in Dialog geht. Dabei soll er religiös neutral sein. Aber wenn er die Religionen fördert, kann er sie auch fordern.

Laizität ist eine gute Sache. Das heißt nur die Neutralität von dem Staat. Dass jede Religion ihren Platz hat. Man soll sie nicht als Problem ansehen, sondern sie herausfordern, dass sie an den Lösungen teilzunehmen.

Wir sind in einem Vertrag mit dem Staat. Der Staat bezahlt manche Sachen. Wir haben dann auch Verantwortungen in der Gesellschaft.

Wenn Religion ins Private abgleitet oder gedrängt wird, kann das doppelt zum Problem werden. Sie wirkt nicht mehr positiv in die Gesellschaft hinein, geistig und karitativ. Und: Der Staat kann sie auch nicht mehr zivilisieren. Darum freut es Christian Albecker, wie lebendig seine Protestantischen Kirchen in Elsass und Lothringen sind. Wenn zB. eine Gemeinde ein religiöses Musical auf die Beine stellt und 500 Leute aus der Region kommen.

Es ist eine Freude, in dieser Kirche mitmachen zu können, ein Zeuge des Evangeliums zu sein. Und ich entdecke jeden Tag die Freude in dieser Kirche arbeiten zu dürfen.

Es tut mir gut, diese Zuversicht von Christian Albecker zu spüren. Die braucht es für die Zukunft: Damit wir auch Verantwortung übernehmen können und uns engagieren, um die Krisen in Frankreich und Europa zu meistern.

Dass wir so weit gekommen sind, ist eine große Sorge, aber letztendlich ist es nicht das Jüngste Gericht. Und letztendlich ist die Hoffnung des Evangeliums immer noch größer als unsere weltlichen und menschlichen Entscheidungen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24188
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