SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Vor kurzem habe ich mich mit Jay Alexander unterhalten, dem Sänger. Sie kennen ihn vielleicht. Er singt solo und ist auch eine Hälfte von Marshall und Alexander. Wir haben über die Lieder geredet, die er liebt und für sein Leben gern singt: „Ich bin schon ein arger Romantiker. Manche von den Liedern klingen vielleicht nach Kitsch. Aber ich finde sie einfach berührend.“ Hat er gesagt.

Ich hatte das Gefühl, er will mir verständlich machen, warum er Lieder davon singt, wie schön die Welt ist und das Leben: „Schön ist die Welt, ich küsse ihre Hand Madame, Plaisir d’Amour. Dein ist mein ganzes Herz.“ Kann man solche Lieder aus vollem Herzen und mit Inbrunst singen? „Wo doch gleichzeitig so viele schlimme Dinge auf der Welt passieren,“ hat er gefragt. Singt man sich damit die Welt nicht einfach nur schön? Macht sie sich schöner als sie ist?

Das Gespräch mit Jay Alexander ist mir noch eine ganze Weile nachgegangen. Wie steh ich zu dem was er gefragt hat?
Meine Antwort: Ja, man darf solche Lieder singen. Ach was, man darf, man soll. Unter einer Bedingung, vielleicht. Sie sollen einem echt von Herzen kommen. Dann können sie auch Seelen trösten. Dann sind solche Lieder vielleicht so etwas Ähnliches wie ein schöner Blumenstrauß, den ich mitbringe bei einem Krankenbesuch. Wenn ich einen Kranken besuche, wissen wir auch beide, es ist nicht schön und gut, was mit ihm ist. Aber soll ich ihm deswegen keine Freude machen und nicht daran erinnern: Du, die Welt hat auch immer noch Schönes?

Ich jedenfalls brauche immer wieder auch etwas, was andere vielleicht Kitsch nennen. Ich glaube nämlich, wir Menschen brauchen Schönheit. Wir müssen immer wieder auch Schönes sehen, hören und schmecken. Denn Schönes löst ganz automatisch Freude aus.

Vielleicht braucht man Schönes gerade dann besonders, wenn man ein sensibler Mensch ist. Oder ein verletzter. Es gibt so viel Schlimmes in der Welt. Das geht einem nahe, wenn man die Augen und die Ohren davor nicht verschließt. Dann braucht man Schönes. Was einen daran erinnert. Es passieren zwar schlimme Dinge auf der Welt. Man könnte an ihr verzweifeln und am lieben Gott auch. Aber oft liegt haarscharf daneben etwas ganz Schönes, Berührendes, Beglückendes. Und wenn es sich zeigt, soll man nicht wegschauen oder weghören. Sondern sich die Seele daran wärmen und stärken. Sie soll am Schlimmen nicht verzweifeln oder verbittern. Wir dürfen und sollen uns an Schönheit freuen. Deswegen gibt es auch schöne Musik.

„Schön ist die Welt.“ Kann man das sagen oder voller Inbrunst singen, wo man doch weiß: Auf der Welt passieren viele schlimme Dinge. An denen könnte man verzweifeln. Ja, ich finde man kann das sagen: „Schön ist die Welt!“. Wenn man sich danach nicht zurücklehnt, sondern spürt: Ich bin auch verantwortlich, dass die Welt schön bleibt und auch immer wieder wird.

Jay Alexander spürt diese Verantwortung auch beim Singen. In einem seiner Lieder besonders, hat er mir erzählt. „Es gibt eine Zeit,“ heißt es. Die zweite Strophe geht so: „Aller Reichtum dieser Welt ist so wertlos wie das Geld, wenn die Liebe nicht mehr eint, was im Frühling sich gereimt.“

Klingt erst einmal arg bekannt. „Reichtum, Geld, Liebe.“ Die gibt es in vielen Liedern. Und natürlich zählt am Ende die Liebe.
Aber wenn ich mir die Strophe durch den Kopf gehen lasse, sie hat Hand und Fuß fürs normale Leben: Es stimmt doch. Wenn keine Liebe mehr ist zwischen Menschen, dann halten uns auch Geld und Besitz nicht mehr zusammen. Im Gegenteil. Geld und Reichtum bringen Menschen dann eher auseinander, machen neidisch und eitel. Geld ohne Herz macht Menschen kalt für andere.
Ob deswegen manche was gegen Flüchtlinge haben?

Mit der Macht ist es ähnlich, findet Jay Alexander: „Macht macht Menschen auch eitel, darum denken viele mächtige Leute so oft an sich selber,“ hat er gemeint.
Ich habe da an die Bibel denken müssen. Dort hat ein Prophet die Mächtigen kritisiert: Das sind keine guten Hirten, schimpft er, weil sie sich selber weiden! Dabei sollen doch die Hirten ihre Herden weiden.“ Sprich, Hirten sollen sich um ihre Herden kümmern.

Darum, hat der Prophet gesagt, kümmert sich Gott jetzt selber um die Menschen. Und später sagt Jesus von sich „Ich bin der gute Hirte.“
Bei ihm waren Macht und Herz verbunden. Er hat sich gekümmert, wenn andere unter die Räder gekommen sind. Er hat die nicht abgeschrieben, die Fehler gemacht haben, hat Schwache aufgebaut. Er musste Starke nicht klein machen.

Und jetzt finde ich: Macht und Herz verbinden, das können wir Jesus doch nachmachen. Sie und ich. Wenn wir unsere Kraft, unseren Einfluss als Eltern, bei der Arbeit, im Verein so gebrauchen wie er, das hilft. Das macht die Welt vielleicht auch wieder ein bisschen schöner. Ich glaub, jeder und jede von uns hat da Möglichkeiten. Im Kleinen. Wir sind nicht machtlos. Können dazu beitragen: „Schön ist die Welt“.

Ich wünsche Ihnen eine guten Sonntag und eine schöne Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24137
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