SWR4 Abendgedanken

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Mein Hund hat die Ruhe weg. Und das ist mir schon so manches Mal richtig auf die Nerven gegangen. Denn oftmals gehe ich schnell zwischen zwei Terminen mit ihm spazieren, nehme mir dann eine bestimmte Strecke vor, die genau auf die eingeplante Zeit passt und muss dann pünktlich wieder zu Hause sein.
Silas interessiert das nicht. Er hat kein Zeitgefühl, keine Termine und keinen Kalender. Er lebt in den Tag hinein und hofft, dass seine Bedürfnisse erfüllt werden. Er  schnüffelt mal hier, mal dort, läuft wieder zurück und wieder vor und schert sich überhaupt nicht um mich.

In solchen Momenten werde ich nervös. Denn er bringt meinen Zeitplan durcheinander. Und das kann ich gar nicht leiden. Dann gehe ich schneller, versuche ihn anzutreiben, aber er bleibt trotzdem immer wieder stehen. Alles Rufen, mein Schimpfen und Zetern bringt nichts. Meine Hundeerziehung kommt an ihre Grenzen. So ist der Spaziergang für mich nichts Erholsames, ist nur Stress und macht schlechte Laune. Als ich das gemerkt habe, fand ich: Ich muss etwas an mir ändern.

Deshalb habe ich neulich den Spaziergang nicht zwischen zwei Terminen eingeplant, sondern dafür Zeit freigehalten. So als wäre der die Zeit mit Silas eine feste Verabredung, für die ich mir Zeit nehme. Und auf einmal habe ich viel mehr gesehen als sonst. Weil ich mir Zeit genommen habe. Ich bin ja viel häufiger stehengeblieben, bin nicht mit forschem Schritt gegangen. Da habe ich am Waldrand die Rehe gesehen, den Specht gehört.

Und auf einmal bin ich einfach spazieren gegangen. Ohne an den nächsten Termin zu denken, ohne zu telefonieren und ständig auf die Uhr zu schauen. Ich war einfach mit Silas unterwegs Entspannt, mit offenen Augen, mit gemütlichen Schritten. Und das hat so gut getan. Als wir wieder zu Hause angekommen waren, war ich nicht im Zeitdruck, sondern erholt. Die halbe Stunde hat mich aus dem Alltagsstress geholt.

So habe ich gemerkt, dass der biblische Prediger recht hat, der geschrieben hat: „Für alles gibt es eine bestimmte Stunde. Und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit“ (Prediger 3,1).
Und ich habe für mich ergänzt: Es gibt die Zeit für schnelles Laufen, aber auch für erholsames, langes Spazierengehen. Zum Glück hat mein Hund die Ruhe weg.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24112
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