SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Manchmal kann ich mich nur sehr schwer trennen. Es gibt so vieles, was mir wichtig ist: alte Postkarten mit Urlaubsgrüßen von Freunden, Konzertkarten, die mich an wunderschöne Abende erinnern, gemalte Kunstwerke meiner Kinder, Fotos und und und.

Aber alles kann ich nun wirklich nicht aufbewahren und manchmal muss ich auch einfach aufräumen. So habe ich vor kurzem auf dem Dachboden aufgeräumt, wo ich immer alles hinlege, was ich irgendwann einmal ablegen oder abheften möchte. Es hatte sich so einiges angesammelt und so saß ich stundenlang da und habe sortiert: Unterlagen, Fotos, Briefe, Postkarten und vieles mehr. Geholfen hat es nicht viel: Jetzt waren halt viele Stapel da.

Da ist mir der Rat des Apostels Paulus eingefallen: „Prüft aber alles und behaltet nur das Gute!“ (1. Thessalonicher 5,21) Der hat gut reden, hab ich gedacht. Nur das Gute behalten. Also, das, was wichtig ist. Oder vielleicht eher, das was Wertvoll ist? Oder das, was mir etwas bedeutet?

Gar nicht so einfach: das Prüfen und das Behalten! Das war ja mein Problem. Ich habe mir die ganzen Sachen intensiv angeschaut. Und wirklich überlegt, was ist mir wichtig. Und was muss ich einfach aufheben, weil ich es nicht wegwerfen darf. Aber so richtig weiter gekommen bin ich nicht mit den vielen Papieren um mich herum.

Dann habe ich nachgedacht: Was ist mir denn sonst wichtig in meinem Leben? Da gibt es wirklich Dinge, die sind mir wichtig, von denen kann ich mich nicht trennen. Es gibt Verhaltensweisen, ohne die kann und will ich nicht leben: gegenseitige Hilfe und Unterstützung bedeutet mir viel, anderen zuzuhören ist mir wichtig, mit meinen Kindern zu spielen ebenso.

Auf einmal hatte ich eine Hilfe gefunden fürs Aufräumen: Aus jedem Stapel wollte ich nur eine geringe Anzahl an Dingen aufheben, eben die, die für mich mit Gefühl und ganz besonderen Erinnerungen verbunden waren: der erste Handabruck in Farbe meines kleinen Sohnes, die erste, kleine Geschichte in krakeliger Schrift meines Ältesten, eine Karte einer Witwe, die mir ihre Geschichte geschrieben hat, das Liedblatt meines ersten Gottesdienstes. All diese Dinge stehen für mehr als nur einen Moment in meinem Leben. Und beim Reduzieren habe ich gemerkt: so viel brauche ich nicht, um mich zu erinnern. Vieles trage ich im Herzen.

Und doch sind ein paar Dinge auf dem Speicher gut. Als Erinnerungshilfe, als Rückblick auf mein Leben.
„Prüft aber alles und behaltet nur das Gute.“ Dieser Aufforderung des Apostels möchte ich nun öfter nachkommen. Nicht nur, wenn ich aufräume.

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