Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Zwischen Jammern und Klagen ist ein himmelweiter Unterschied. Das ist mir aufgefallen, an mir selbst und an anderen. Wer jammert, der dreht sich im Kreis und ändert gar nichts. Klagen aber hilft und bringt weiter.

Zuerst das Jammern: Die Chefin, die Kollegen, der Haushalt, der Ehemann, die Kinder, die Kopfschmerzen…jammern kann man immer. Es nützt nur nichts. Es bleibt alles so, wie es ist. Wer viel jammert, zieht sich selbst immer weiter nach unten und andere gleich noch mit.

Forscher haben über das Jammern herausgefunden: wer immer wieder über dasselbe jammert, der will eigentlich gar nichts ändern. Der will eher sagen: „Eigentlich habe ich mir mein Leben ganz anders vorgestellt.“ oder „ Ich will, dass Du siehst, was ich alles leiste.“ Am Stammtisch, da gibt das gemeinsames Jammern das Gefühl, „wir gehören zusammen“.  Oder man will sich schützen. Wenn zum Beispiel jemand um sein gutes Gehalt beneidet wird, jammert er vielleicht über die viele Arbeit. Dann wird der Neid weniger.
Wer jammert, der will nichts ändern. Der jammert, damit alles so bleiben kann wie es ist.

Mit dem Klagen ist das ganz anders. Klagen sind nichts Alltägliches. Wer klagt, der erlebt gerade Außerordentliches, das ihn erschüttert. In Mark und Bein. Ein geliebter Mensch ist gestorben. Eine Krankheit ist diagnostiziert worden. Es gibt keinen Weg zurück mehr in die Heimat. Wer das erlebt, der muss klagen. Weil der Schmerz so groß ist. Und das Leid so ausweglos. Die Klage kommt aus tiefstem Herzen. Sie braucht nicht viele Worte, aber die sind erschütternd:

 „Wie lange noch muss ich Schmerzen ertragen in meiner Seele, in meinem Herzen Kummer, Tag für Tag… meine Seele will sich nicht trösten lassen… Ich bin so voller Unruhe, dass ich nicht reden kann…“( Ps 77)

Viele solcher Klagen stehen in der Bibel, in den Psalmen. Sie nehmen dort sogar sehr viel Raum ein. Weil wir Menschen klagen müssen, wenn wir etwas nicht mehr ertragen können. Damit wir nicht in unserem eigenen Elend versinken. Und wenn das Leid so groß wird, dass niemand mehr helfen kann, dann brauchen wir eine höhere Macht, vor der wir klagen können: Gott, sieh her. Das bin ich. So geht es mir. Ich bin in so großer Not. Ich will das nicht länger hinnehmen, was mit mir geschieht. Ich spreche es aus. Ich werfe es dir hin. Tu was! Ich kann nicht mehr.

Ich glaube, wer so klagt, der hört auf, im eigenen Leid zu versinken. Der bringt es heraus, was so furchtbar schmerzt . Wer klagt, der sehnt sich nach Heilung seines Schmerzes. Auch, wenn im Moment noch gar nichts davon zu spüren ist.
Was ich mir darum wünsche für Sie und für mich, das ist der Mut zur Klage, wenn es nötig ist. Und heute möglichst wenig Anlass zum Jammern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24057
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