SWR2 Wort zum Tag

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Ich stehe in der Vorhalle der Gedächtniskirche der Protestation von Speyer und fühle mich angesprochen und kleinlaut zugleich. Vor mir steht überlebensgroß, auf einem Sockel, Martin Luther als Statue. Groß und kräftig, mit entschlossenem Blick. In der einen Hand hält er die Bibel, die andere ist zur Faust geballt. Die päpstliche Bannbulle zertritt er mit dem Fuß. Jeder, der hier vorbeikommt, kann ihn sehen. Beim Betreten der Kirche und auch von der Straße aus.

Um ihn herum, in den Ecken der Halle, sind sechs Fürsten versammelt, die sich Luther und seiner Sache angeschlossen hatten. Ich sehe z.B. die Statue von Johann, dem Beständigen, Kurfürst von Sachsen, von Markgraf Georg von Brandenburg oder von Landgraf Philipp von Hessen.
Es sind jene Fürsten, die damals auf dem Reichstag 1529 in Speyer protestiert haben. Dagegen, dass die evangelische Neuerungen wieder abgeschafft werden sollten. Das war übrigens genau in diesen Tagen im April.

Es ging damals hoch her, auf diesem Reichstag. Die Evangelischen feierten ihren Gottesdienst in deutscher Sprache, reichten den Abendmahlswein auch den Gläubigen und ihre Pfarrer durften heiraten. All das sollte nun wieder zurückgenommen werden.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es für die Beteiligten nicht einfach war. Sie sind für ihren Glauben eingestanden, denn „in Sachen Gottes Ehr und der Seligkeit belangend, muss ein jeglicher für sich selber vor Gott stehen und Rechenschaft geben“. So lautet der Kernsatz ihrer „Protestation“, die den Evangelischen wohl ihren zweiten Namen einbrachte, Protestanten.

Protestant: Das war ja eigentlich zunächst ein Schimpfwort. Aber die Protestanten trugen es mit Stolz und Würde. Bei uns in der Pfalz ist das bis heute so. Wer evangelisch ist, ist „Protestant“. Pfarrämter und Kirchen heißen so und auch die Evangelische Landeskirche der Pfalz führt diesen Zusatz im Namen. Als einzige unter den evangelischen Kirchen in Deutschland.

Für mich steckt in diesem Wort „Protestation“ viel Positives und auch Verpflichtendes drin. Das heißt doch, dass man für seine Überzeugung einsteht, seine Meinung äußert, Stellung bezieht, gegebenenfalls Einspruch erhebt und so Rechenschaft abgibt vor sich selbst und vor anderen.
Ich meine: Eine solche Haltung gehört zum Christsein dazu: Eigentlich gehört sie zur Grundhaltung eines jeden Menschen, der in demokratischer Verantwortung einsteht für das, was unbedingt zu schützen ist: Freiheit, auch Religionsfreiheit, Recht und Menschenwürde.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24023
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