SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Fast ungehörig ist  es, in diesen Zeiten  an Karneval zu denken oder ihn gar zu feiern. Zu schwierig sind die Weltverhältnisse, zu viel steht in diesem Wahljahr auf dem Spiel, zu viele sind auch in unserem Land im Abseits und am Rande. Aber wie könnte ich die Unterbrechung übersehen, zu der dieser Tag einlädt: Weiberfasnacht sagt man gern im nördlichen Deutschland und in südlichen Landen ist vom „Schmotzigen Dunschtich“ die Rede. Zusammen mit dem kommenden Montag und Dienstag gehört dieser  „Fette Donnerstag“ (wie man in Aachen sagt) traditionell zu den zentralen Fasnachtterminen. Und das hat gute Gründe. Der Donnerstag war nämlich  früher der allgemeine Schlacht- und Backtag. Mittwochs wurde gefastet, und freitags  am Gedenktag des Todes Jesu erst recht. Dieser dicke oder schmotzige Donnerstag  nun ist der letzte  vor den fleischlosen vierzig Tagen bis zum Osterfest. Da wird nochmal ordentlich gegessen und gefeiert: eine fette Angelegenheit, auch mit Krapfen und Siedegebäck,, ein Schmaus.  Dieser Donnerstag war also eine kräftige Unterbrechung des kargen Lebens  das Jahr über, eine festliche Aufwartung aller Möglichkeiten, inmitten von so viel Mangel sonst und angesichts der langen Fastenzeit. 

Gewiss ist es heute sehr anders: Es wird das ganze Jahr über  Fleisch gegessen, viel  zu viel bekanntlich und viel zu billig. Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und wohl auch Krebs haben damit zu tun. Vor allem geht es auf Kosten der Regenwälder, der armen Völker und auch der armen Tiere. Und mit dem Fett ist es ohnehin so eine Sache.  Vielleicht sähe eine festliche Unterbrechung des normalen Alltags heute ganz anders aus: Vielleicht   entschieden und konsequent  einmal völliger Fleischverzicht, und das überall hierzulande? Noch besser vielleicht: Eine reichliche kostenlose Speisung der unteren Zehntausend in allen Städten. Jedenfalls ist mit dem  heutigen Tag eine Kontrastierung des angeblich Normalen und Üblichen verbunden; was immer gilt, soll jetzt gerade nicht gelten. Auch die Lust der Frauen gehörte und gehört dazu, den Männern die Krawatten abzuschneiden. Für einen Tag wenigstens Schluss mit der alljährlichen Männerherrschaft, heraus mit der durchaus auch  kastrativen weiblichen Energie zwecks Geschlechtergleichheit, gleicher Würdigung von Mann und Frau auf allen Ebenen gesellschaftlichen und persönlichen Lebens, nicht zuletzt in der Kirche. Da blitzt etwas Utopisches auf. In diesen Karnevalstagen und ihren alten und neuen Riten zeigt sich, dass nichts in der Welt alternativlos ist. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23712
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