SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Das Altenheim hatte angerufen, unsere alte Tante musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Eine akute Sache. Auch das noch, wo sie doch so schon genug hadert mit den Beschwerden des Alters! Warum muss ich nur so alt werden, sagt sie manchmal. Uns blieb nichts übrig als  nach der Arbeit noch ins Krankenhaus zu fahren. Wer weiß, was uns da erwartet. In ziemlich trüber Stimmung haben mein Mann und ich an diesem Novemberabend das Krankenhaus betreten. Schnell durch das Foyer und hinauf in die Notfallaufnahme. Die Tür hat sich automatisch geöffnet und wir standen in dem angenehm hell erleuchteten Gang der Station. Die Station ist wohl kürzlich renoviert worden – was aber alles noch heller erstrahlen ließ, war das überaus freundliche Gesicht der jungen Krankenschwester, die über den Gang eilte. Sie hatte sicher viel zu tun, hat aber sehr freundlich gegrüßt und uns zum richtigen Zimmer begleitet und uns fröhlich ermuntert einzutreten. Ja und das hatten wir nun wirklich nicht erwartet: Mit frohem Gesicht saß die alte Tante in ihrem frischen Krankenhausbett. Sie fühlte sich wohl hier, das hab ich gleich gemerkt. Wir sind dann noch anderen Schwestern und Pflegern begegnet, alle hatten so offene freundliche Gesichter. Lichtgestalten sind das – Menschen wie Engel hier auf Erden, habe ich zu meinem Mann gesagt. Sie tun den Menschen, die hier sein müssen, so gut - und auch deren besorgten Angehörigen. Wir sind jedenfalls äußerst beruhigt nach Hause gefahren an diesem Abend. Und mir ist an diesem Abend auch klar geworden, wie wichtig der Beruf der Krankenschwester, des Krankenpflegers ist. Ich weiß nicht, ob er so hoch geschätzt wird, wie er es verdient. Wie schnell kann ich selbst ins Krankenhaus müssen – Schmerzen haben, hilflos und verunsichert sein. Angst haben. Und wenn dann jemand für mich da ist – verständnisvoll, kompetent und beruhigend – wie kann ich das dann brauchen! Und es ist ein schwerer Beruf, Unsere Tante ist schwierig zu handhaben, überhaupt nicht pflegeleicht. Da immer geduldig zu bleiben und verständnisvoll – da muss man es schon sehr gut mit den Menschen meinen. Seinen Beruf mit Liebe ausüben.  „Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe…“ Das hat der libanesische Schriftsteller Khalil Gibran über die Arbeit gesagt. Und wenn ich die jungen Krankenschwestern und Pfleger beobachtet habe, wie sie mit den alten Kranken auf ihrer Station umgehen, sie waschen und verarzten, dann ist mir klar geworden, sie arbeiten mit viel Liebe zu den Menschen. Ohne diese Liebe wären sie nicht diese Lichtgestalten, die wir an dem dunklen Novemberabend im Krankenhaus erlebt haben. Und für ihre liebevolle, durchaus nicht selbstverständliche Arbeit, danke ich ihnen heute ganz besonders.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23211
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