SWR1 Begegnungen
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Annette Bassler trifft Prof. Josef Wieland, Wirtschaftsethiker und Unternehmensberater an der Zeppelin- Universität Friedrichshafen
Global wirtschaften, aber anders
Er ist Professor für Wirtschaftsethik und meint: Wirtschaft ist nur erfolgreich, wenn sie sich moralischen und humanen Werten verpflichtet. Ich habe ihn am Rande eines Kongresses getroffen und war fasziniert davon, wie er Ökonomie, Moral und Glauben zusammenbringt. Oft berät er zum Beispiel chinesische Manager. Und erlebt, dass die sich ganz offen zu ihrem christlichen Glauben bekennen.
Religiosität spielt eine ganz zentrale Rolle, weil es eine Grundausstattung des menschlichen Lebens ist. Menschen in allen Religionen in allen Ländern der Welt haben alle eins gemeinsam: sie suchen nach etwas, was größer ist als sie selbst: eben die Transzendenz, etwas, was Sinn gibt in ihrem Leben.
Und was ihnen Sinn gibt, das ist ihnen auch was wert. Und was dem Menschen was wert ist, das leitet sein Handeln. Ob Manager, Firmenchef oder einfach nur Verbraucher. Welche Werte leiten uns als Verbraucher im Alltag? Früher hat man sich im Dorf oder in der Region darüber geeinigt. Heute geht das so nicht mehr.
Gehen Sie in einen Supermarkt. Woher kommen die Güter, die man dort kaufen kann? Sie kommen von all überall auf der Welt. Die ethischen Maßstäbe, die sind nicht irgendwo da draußen, die sind in ihrem Kaffeeshop, in ihrem Kleidungsgeschäft. Und da wird man dann als aufmerksamer Konsument ein Schild finden: hergestellt in sozial verträglicher Produktion, ohne Kinderarbeit, und es ist nachhaltig und ähnliche Dinge mehr.
Wir haben sie also buchstäblich in der Hand, die Frage der Werte in der Wirtschaft. In Gestalt eines T-shirts oder eines Päckchen Kaffees. Welche Standards sind uns wichtig? Nur billig? Oder haben wir noch andere Ansprüche?
Sollen wir Kinderarbeit beschäftigen? Wie gehen wir mit Sklavenarbeit um? Wie gehen wir mit Korruption um? Wie gehen wir mit der Unterdrückung von Frauen in bestimmten Regionen um?
Das heißt: wollen wir T-Shirts kaufen, von Menschen gemacht, die wie Sklaven leben? Wollen wir Schokolade kaufen, in der Kinderarbeit steckt? Diese Fragen beschäftigen auch viele deutsche Unternehmen, weiß Josef Wieland. Auch deshalb, weil Verbraucher Druck machen. Josef Wieland ist überzeugt: vor allem in der Führungsetage von Unternehmen muss sich was ändern. Rigorose Maximierung von Gewinn nur für Aktionäre ist ein Auslaufmodell.
Ich glaube, dass in der Wirtschaft zunehmend die Erkenntnis heranreift, dass wir mit dieser Form von Führung die zukünftigen Aufgaben der Unternehmen also auch die wirtschaftlichen Aufgaben nicht meistern werden.
Und zwar deshalb, weil der schnelle Gewinn mehr zerstört als dass er aufbaut. Umwelt und Frieden zum Beispiel. In der Region, aber auch global. Welche Werte in einer global vernetzten Welt wichtig sind und welche Rolle Religion und Glaube dabei spielt, darum geht‘s nach dem nächsten Titel.
Wo Glaube und Moral auf Wirtschaft trifft
Josef Wieland ist Professor für Wirtschaftsethik und berät global agierende Unternehmen. Er ist davon überzeugt: Mauern hochziehen, das eigene Land, das Unternehmen durch Abschottung groß machen wollen, das erscheint verlockend.
Leute, die glauben, dass sie den Kürzeren ziehen, die glauben, dass sie ihre Position nicht halten werden im Leben, dass die sehr leicht verführbar sind für solche einfachen Lösungen, vor allem für die Lösung, alles dicht zu machen, sich zurückzuziehen in den Nationalstaat, in die scheinbar sicheren Gefilde der letzten 30 Jahren.
Aber das ist eine Illusion, meint Josef Wieland.
Weil wir alle in unserer Wirtschaft in unserer Politik weltweit zusammenhängen. Wir müssen kooperieren, wir müssen weltweit kooperieren. Man kann sich nicht zurückziehen und selektiv nur zulassen, wovon man glaubt profitieren zu können.
Wir können gar nicht mehr aussteigen aus diesem weltweiten Handel, aus der globalen Vernetzung, aus den weltweiten Flüchtlingsbewegungen. Das macht natürlich Angst.
Und ich denke, das ist auch gerechtfertigt. Nur dumme Leute haben gar keine Angst. Der zweite Punkt ist, dass sich diese Angst möglicherweise noch steigert, wenn man sieht, dass man es nicht so ohne weiteres ändern kann. Weil man nicht alle Strippen in der Hand hat, dass man mit allen Ländern der Welt kooperieren muss und wie schwierig das ist.
Und genau das ist es, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt, meint Josef Wieland. Wir müssen lernen, mit der Angst zu leben. Und wir müssen lernen, mit der Unsicherheit zu leben, mit der komplizierten Verflechtung von Interessen, Kulturen und Religionen. Und geduldig Schritt für Schritt Lösungen erarbeiten. Ganz entscheidend wird dabei sein: Welchen Menschen, welchen Führungspersönlichkeiten wir unser Vertrauen schenken.
Ich persönlich glaube, dass viel von der Führung abhängen wird. Was sind das für Leute, die wir da brauchen? Es müssen Leute sein, die sehr realistisch sind. Die die Tatsachen zutreffend beschreiben. Die in der Lage sind, Konzepte zu entwickeln, wie man damit Schritt für Schritt umgehen kann. Die kooperationsfähig sind, die ehrlich sind.
Kurzum: in Zeiten der Unsicherheit, meint Josef Wieland, spielt das, was wir „Charakter“ nennen, wieder eine große Rolle. Menschen mit Standfestigkeit. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Hat Martin Luther vor dem Reichstag zu Worms gesagt. Ihm war die Wahrheit und das Wohlergehen aller wichtiger als sein persönliches Wohlergehen. Dabei war er aber nicht nur gebunden an Werte. Er war verbunden mit dem Gott, der ihm dazu die Kraft gegeben hat.
Ich glaube, es ist tatsächlich die Kraft, einen Sinn in seinem Leben zu bekommen. Zu wissen, dass man in einer Kultur, in einer Religion eingebettet ist, die wesentlich war für das, was wir in unseren Gesellschaften tun und immer noch wesentlich ist, und dieses Gefühl des Zugehörig Seins, das war für mich immer entscheidend. Alles andere würde ich dann als „Alleinesein“ bezeichnen.
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