SWR2 Wort zum Tag

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Ob Bob Dylan den Nobelpreis verdient, vermag ich nicht zu entscheiden. Aber seine Lieder haben mich begleitet und geprägt. Auch was ich glaube und denke, als Christ. „With God on our Side“ – “mit Gott an unserer Seite”. Dieses Lied ist so eines, das Dylan mir eingeprägt hat. Ich hoffe, ich vergesse es nie.

“Oh, my name it is nothin’, my age it means less.” Wie Dylan beginnt, das erinnert ein wenig an Propheten des Alten Testaments: Mein Name tut nichts zur Sache. Mein Alter noch weniger, singt er. Was zählt ist, was er zu sagen hat:

Das Land aus dem ich komme, nennt man den Mittleren Westen. Dort wurde ich unterrichtet und erzogen, die Gesetze zu befolgen. Und, dass das Land in dem ich lebe, Gott auf seiner Seite hat.

Americawith God on our side. Strophe um Strophe legt er den Glauben bloß, den sich sein Land aufgeschichtet hat. Um sich mit Hybris darauf zu erheben: In rassistischer Überheblichkeit die Indianer vernichtet. In den amerikanischen Bürgerkrieg, die Weltkriege gezogen. Immer mit dem Glauben: “Gott ist auf unserer Seite”.

Ich habe diese Strophen in den späten 1960ern aufgesogen. Amerikakritisch. Aber Bob Dylan sieht, dass solche Überheblichkeit ansteckend ist. Wenn man ihn ernst nimmt, als Deutscher, kann man sich nicht mit Antiamerikanismus therapieren. Dylan erinnert:

Als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, vergaben wir den Deutschen. Und wir waren Freunde. Obwohl sie sechs Millionen ermordet haben. In den Öfen gebraten. Die Deutschen haben jetzt auch Gott auf ihrer Seite.

Am tiefsten geprägt hat mich an seinem Lied nicht allein seine kritische Diagnose. Sondern die heilsame Wendung in den beiden letzten Strophen. Dylan könnte singen: Gott ist an niemandes Seite, nirgends. Das tut er nicht, sondern er findet ihn, gut biblisch, bei Jesus von Nazareth. Zitat:

In vielen dunklen Stunden, habe ich darüber nachgedacht, dass Jesus Christus durch einen Kuss verraten wurde. Du musst selbst entscheiden, ob Judas Iskariot Gott auf seiner Seite hatte.

Auf jeden Fall war Gott an der Seite Jesu. Bei dem ohnmächtigen Verlierer, dem Opfer der Gewalt. Damit ist der amerikanisch-westliche Überlegenheits-glaube, „with god on our side“ obsolet. Folgerichtig endet der Song in einem Friedenscredo:

So, jetzt wo ich gehe, bin ich hundemüde. Die Verwirrung, die ich fühle, kann niemand in Worte fassen. Die Worte füllen meinen Kopf und fallen zu Boden. Wenn Gott wirklich auf unserer Seite ist, wird er den nächsten Krieg stoppen.

Nobelpreiswürdig? Ich denke schon, vor allem hoffe ich, dass wir seine Botschaft beherzigen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23001
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