SWR3 Gedanken

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Es ist schon viele Jahre her, aber ich sehe ihn noch heute vor mir, meinen alten Kinderarzt. Wie er mein Kind untersucht, Brille vorne auf der Nase, ernster Blick. „Und? Meint er. Haben Sie Kontakt zu ihrem Kind?“ Ich verstehe nicht ganz, fühle mich aber mächtig unter Druck. „Also seit mein Kind krank ist, steh ich nachts jede Stunde am Bett. Koche tags sein Lieblingsessen, wasche durchgeschwitzte Bettwäsche und sage alle Termine ab und…“ Er legt seine Hand auf meinen Arm und versucht mich zu stoppen. Aber jetzt bin ich in Fahrt. „Ich hab mit ihm Memory gespielt und alle Puzzle, ja was soll ich denn noch alles machen?“- „Nichts sollen Sie machen, sagt er. Nur da sein. Versuchen zu spüren, wie es Ihrem Kind geht. Mehr nicht. Können Sie das?“

Nein, konnte ich nicht. Wie auch, wenn ich ständig herumrödele und versuche, alles richtig zu machen. Aber es geht dem Kinderarzt nicht um richtig und noch mehr davon. Es geht ihm um „da sein“, spüren, was ist. Kontakt eben.

Jesus war ein Meister des Kontaktes. Ständig hat man ihm Leute gebracht, für die er was tun sollte. So viele Lahme und Hautkranke und Blinde. Ein Blinder, erzählt die Bibel, schreit schon von weitem nach ihm. Und tappt in die Richtung, aus der er Jesu Stimme hört. Als der Blinde ihn dann erreicht hat, sagt er: Hilf mir! Aber Jesus tut erst mal- nichts. Er redet ihn an. Sucht den Kontakt. Fragt, was er für ihn tun soll. Im Sinn von: „Ich kann dich sehen, blinder Mann, aber seh ich dich richtig? Sag du es mir.“

Kontakt- das ist das schönste, was zwischen Menschen passieren kann. Es ist das Gefühl: Da sieht mich jemand. Fühlt, wie es mir geht.

Kontakt ist der kürzeste Draht von Mensch zu Mensch. Hat man den gefunden, dann braucht‘s kein aufwendiges Beschäftigungsprogramm. Und bisweilen macht schon der Kontakt ein Menschenkind wieder gesund.

 

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