Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

925.200 Menschen sind letztes Jahr in Deutschland gestorben. Und wenn sich bei jedem Verstorbenen nur eine Person gefragt hat, wo dieser Verstorbene jetzt ist, dann waren letztes Jahr 925.200 Menschen mit einer zentralen Glaubensfrage konfrontiert: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Und da sind die Antworten gar nicht mal so vielfältig. Nämlich drei. Die erste: Ich glaube es nicht. Tot ist tot und danach kommt nix mehr. Die zweite: ich glaube fest daran, ja bin mir irgendwie sicher, dass da mehr sein muss als nur dieses Leben. Und die dritte: ich weiß es nicht, aber ich bin offen oder hoffe, dass es da noch etwas gibt. Meistens stehen sich diese Antworten getrennt und sprachlos gegenüber. Getrennt, weil wir es einfach nicht wissen. Und so nur über unseren Glauben, unsere Hoffnungen und Vorstellungen sprechen könnten. Sprachlos, weil das so ein sensibler, intimer Bereich ist, über den so schwer zu sprechen ist. Bei dem eine zu große Sicherheit von glaubender Menschen befremden kann. Und eine zu große Sicherheit nicht glaubender Menschen abschrecken.  Ich habe einen Text entdeckt, der die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod in ein so schönes wie vorsichtiges Bild fasst. Ein Bild, mit dem, wie ich finde, verschiedenste mit dem Tod konfrontierte Menschen leben können. Er ist vom schlesischen Schriftsteller Cosmus Flam. Unter der Überschrift „Was mir der Tod ist“ erzählt er folgendes Erlebnis:

„Ich bin einmal im Boote durch Schilf und Röhricht gefahren. Auf der Wolga, unten bei Astrachan. Es war ein mühevoller Weg. Sumpfblasen platzten vor meinem Kiele, an meinen Rudern hing Tang; Binsen und Unkraut stellten sich mir in die Fahrt. Die Sonne stach heiß. Der Blick war getrübt. Ich ruderte bis ich schwitzte. Oft war ich im Begriffe mich hinzulegen und dazubleiben. Es war gegen Abend, als sich plötzlich das Dickicht lichtete, und vor mir, ach mein Freund, vor mir lag der gewaltige Strom, weit, majestätisch und wahrhaft göttlich. Er rollte seine purpurnen Wogen in den Abend, und ein Sonnenuntergang lag über seiner Mündung. Am Himmelsrand aber lag das Meer, unbegreiflich groß und weit und unermesslich. Da war alle Müdigkeit vergessen, aller Sumpf und die Hitze des Mittags. Die Strömung fasste mein Boot, ich setzte die Segel und fuhr glückselig hinab, erfüllt vom Überschwang des Ozeans.                                                                          … So ähnlich vielleicht, wird es sein.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22915
weiterlesen...