SWR4 Abendgedanken

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Manches geht nicht mit einem Mal. Manches geht nur Schritt für Schritt. Und man braucht Geduld, bis es klappt. Das lerne ich gerade ganz neu. Ich habe nämlich seit drei Wochen ein Schulkind. Unser großer Sohn geht in die Schule. Und er ist stolz darauf. Wenn er nach dem Mittagessen seine Hausaufgaben macht, zeigt er mir immer, was er macht, warum er das macht und was er schon alles kann. Jeden Tag etwas Neues. Manchmal nichts Großes. Aber für ihn der Anfang eines ganz neuen Lebensabschnittes.

Und egal, wo wir langgehen, hinfahren oder vorbeikommen: Wenn er die wenigen Buchstaben oder Zahlen sieht, der er schon kann, muss er sie mir zeigen. „Mama, guck mal da ist ein „M“. Ich kann schon ein großes M und ein kleines m, auch das A kann ich schon. Mama, bald kann ich lesen, ganze Bücher. Und da vorne auf dem Schild ist eine 3 und eine 0.“

Aber es geht ihm manchmal nicht schnell genug. Da sitzt er dann da mit einem Kinderbuch auf dem Schoß und sagt: „Richtig lesen kann ich noch nicht. Ich kann die Ms finden und die As und die U‘s! Wann kann ich denn endlich richtig lesen?“

Ich habe versucht, ihn zu beruhigen. „Weißt Du, alles im Leben hat seine Zeit und die darfst du dir auch nehmen. Du musst nicht immer alles auf einmal können, sondern du darfst es dir Schritt für Schritt aneignen. Du musst nicht alles auf einmal schaffen, du kannst es Dir einteilen. Und irgendwann, da ist der Zeitpunkt dann da: plötzlich kannst du lesen, rechnen und schreiben. Da denkst du gar nicht mehr darüber nach, wie mühsam es war, all das zu lernen.“

„Alles hat seine Zeit?“ hat mein Sohn gefragt. Ich habe diese Weisheit von dem biblischen Prediger. Der hat das schon vor vielen tausend Jahren formuliert. Deshalb sage ich noch einmal: „Alles im Leben hat seine Zeit und für manches muss man einfach Geduld haben und es Schritt für Schritt angehen!“

Das freut ihn. „Ist das nur bei Kindern so?“, fragt er mit einem Grinsen im Gesicht. „Nein, das gilt für alle Menschen“, antworte ich. „Na“, sagt er und lacht, „dann nimm du dir ab und an auch mal mehr Zeit.“
So lerne ich nun mit meinem Schulkind Geduld Und entdecke, dass es gut ist, dass alles seine Zeit hat.

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