Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die Religionen sind schuld an den Konflikten zwischen Menschen, an Terror und Krieg. Die Religionen – oder der Nationalismus.  Das sagen viele.

Deshalb sollte die Religion Privatsache sein und in der Öffentlichkeit keine Rolle spielen. Sagen auch viele. Allerdings: Gegen den Nationalismus habe ich noch kein so einfaches Rezept gehört.

Vielleicht, weil Heimatliebe ja erst einmal wirklich nichts Schlechtes ist. Warum sollte ich mein Land denn nicht schön finden dürfen. Die  Gegend lieblich, die Städte interessant und die Lebensbedingungen großartig? In meinem Haus lebt seit einiger Zeit eine junge Frau aus Somalia. Die staunt, dass bei uns alte Leute Rente bekommen, dass junge Eltern Kindergeld kriegen, bedürftige Studenten Bafög und dass für Kranke die Krankenkasse aufkommt. Wo sie hergekommen ist  gibt es das alles nicht. Warum also sollte ich mein Land nicht schön finden.

Aber aus solcher Heimatliebe kann leicht Nationalismus werden, der alles Fremde als Störung und Gefahr betrachtet und abwehren und raushalten möchte.

Ich meine, dass gerade da der Glaube helfen könnte. Und das, obwohl es das Wort Heimat in der Bibel eigentlich gar nicht gibt. Aber etwas Ähnliches gibt es, das hebräische Wort menucha. Das bedeutet  Heimat, aber auch Ruhe und Freiheit. Wo ich Ruhe finde, wo ich frei von Feinden und frei von Angst leben kann. Da ist Heimat. „Da wohnen Menschen unter ihren Feigenbäumen und Weinstöcken und niemand schreckt sie auf“ (Mi 4,4) so beschreibt die Bibel, was Heimat ist.

Und diese Heimat ist für biblisches Denken ein Geschenk. Vielleicht kennen Sie den 23. Psalm und haben im Kopf „Er weidet mich auf grüner Aue und führt mich zum frischen Wasser!“ Wenn man das ganz wörtlich übersetzt, dann würde das heißen: „Auf grüner Wiese lässt Gott mich lagern,

zu Wassern der Ruhe leitet mich Gott.“ (Übersetzung Ulrike Bail). Heimat ist da, wo man hingeführt wurde. Und wo man dann bleiben kann.

Ich zum Beispiel lebe seit 40 Jahren hier in Baden-Württemberg. Vorher in Niedersachsen. Meine Mutter war von dort, aber ihre Vorfahren kamen als Hugenotten aus Frankreich. Und mein Vater war aus Lodz in Polen, aber seine Vorfahren waren schlesische Weber. Trotzdem haben wir alle gesagt: Hier, in diesem Ort, in dieser Gegend, in diesem Land ist unsere Heimat. Wir alle sind erst dahin gekommen, wo wir gelebt haben. Und haben Heimat gefunden.

Heimat ist ein Geschenk. Für jeden Menschen. Und jeder Mensch hat ein Recht, Heimat zu finden. Ruhe. Und Freiheit. Das sagt mir der christliche Glauben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22793
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