Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Gibt es was, dass ihnen heilig ist? Ich meine so was wie den ersten Liebesbrief, oder das Stofftier, ohne dass sie als Kind nicht einschlafen konnten. Also so Sachen, mit denen man etwas verbindet. Hoffentlich sind sie sorgfältig aufbewahrt.  Das Allerheiligste, das ich je besessen habe, das gibt es nicht mehr. Irgendwann ist er in der Kleidersammlung oder im Abfall gelandet. Mein heiß geliebter Amiparka.  Als Götz George gestorben ist, im Juni, da  hätte ich ihn wahrscheinlich aus der Kiste gekramt und den ganzen Tag angezogen. Und hätte erklärt warum.  Denn der hatte als Horst Schimanski meine Jacke an. Jawohl, das  war nämlich keine  Schimanski Jacke. Das war eine  Wolfgang Drießen Jacke, und zwar die originale, in grün. Dem Horst seine war ja grau gewesen.

Eigentlich hatten wir damals ja alle, wirklich alle einen grünen  Parka. Die Welt der Siebziger war grün. Nur niemand trug seinen Parka so ausschließlich wie ich. Im Sommer und im Winter. Mit 16 habe ich ihn gekauft und bin quasi in ihm erwachsen geworden. Nie habe ich ein praktischeres Kleidungsstück gehabt.  Vier große Taschen vorne, da passte alles Mögliche rein. Mein Parka hat mit mir Klassenarbeiten geschrieben und Zeltlager überlebt, ich habe mich und andere damit zugedeckt. Ich habe wild gewordene Kühe damit verscheucht, Rockkonzerte besucht und   als Messdiener am Altar gestanden. Ich habe ihn am Geruch erkennen können, wie das Kleinkind sein Schmusetuch. Ich weiß gar nicht mehr genau, wann ich aus ihm rausgewachsen bin – das meine ich jetzt nicht körperlich.  Und seit dem 19. Juni, wo der Schimmi gestorben ist, trauere ich um ihn und meine Jacke. Ich gäb’ sonst was dafür, wären beide noch da. Und wenn ich es recht bedenke: der  Horst Schimanski hat in seine graue Jacke gepasst wie ich in meine grüne. Der war einer, der im Herzen jung geblieben war, eigentlich ein großer Jung’,  der Spaß haben, der die Welt ein bisschen besser machen wollte, mit viel gesunder Naivität, Treuherzigkeit, und dem Herzen auf dem rechten Fleck. Hätte ich auch gerne ein bisschen von…..  Na ja. Jetzt wissen Sie auf jeden Fall, was mir heilig ist.  Und  wenn Sie auch etwas Persönliches haben, mit dem sie viel verbinden, machen Sie ja nicht meinen Fehler,  so etwas Heiliges weg zu werfen. Denn manchmal braucht es Jahre, bis es heilig ist, bis man es begreift, was man da nicht aufgehoben hat. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22766
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