Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Sind Sie eher atheistisch eingestellt oder glauben Sie an Gott?“ Diese Frage stellen Studenten an  Passanten in der Fußgängerzone. Von einem bekommen sie eine erfrischende Antwort. „Keines von beiden so richtig“, sagt er „ich bin halt normal.“ Ich muss grinsen. Ja, denke ich mir, so ist das mit diesen  Entweder-Oder Fragen. Gerade wenn es um  Glaubensfragen geht, da fallen eindeutige Antworten schwer.  Und wer sagt mir eigentlich verlässlich, was normal und was unnormal ist? Ist der mit dem Schild um den Hals: „Ich bin Atheist, es gibt keinen Gott“ normal? Ist der, der mich unbedingt bekehren und in seine Kirche zerren will, normal oder unnormal? Ich muss an eine Sache denken, die mir immer mal wieder passiert, wenn ich erzähle, was ich beruflich mache. Dass ich katholischer Theologe bin, mein Geld bei der katholischen Kirche verdiene, also quasi „Berufschrist“ bin. „Das finde ich gut, dass du trotzdem so normal bist“, höre ich dann häufig. „Hätte ich gar nicht gedacht“. Je nachdem, wie ich gerade gelaunt bin, freut mich das oder es ärgert mich, auf jeden Fall verunsichert mich das immer ein wenig. Was hat denn der eigentlich für eine Vorstellung von einem Christen?  Oder offener formuliert: von einem Menschen, der an einen Gott glaubt. Ich muss nicht griesgrämig durch die Gegend laufen und meine Sünden beweinen. Oder ständig mit der Bibel in der Hand versuchen, andere Menschen zu bekehren. Oder komplett erlöst, selig lächelnd und „Halleluja“ singend durch die Gegend laufen. Und ja, es gibt jede Menge Menschen, die auch ohne Gott und Religion gute Menschen sind. Ich persönlich bin froh, dass ich an Gott glauben kann. Dieser Glaube ist mir als Kind und Jugendlicher von vielen lieben Menschen mit gegeben worden. Er sagt mir: es gibt etwas, das über dieses Leben hinaus weist. Etwas, das alles, was mich in diesem Leben froh macht oder quält, zweitrangig werden lässt. Das heißt nicht, dass ich mir im Leben keine Sorgen mache, um meine Kinder, meine Gesundheit, mein Auskommen. Aber dieser Glaube an einen Gott, der es gut mit mir meint, trägt mich durchs Leben. Dafür bin ich total dankbar. Und ich überlasse es diesem Gott, wie er am Ende dieses große Geheimnis auflösen wird und mir verrät, was normal ist und was nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22765
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