Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wenn es eine Sportart gibt, die mich fasziniert, dann ist das Marathon. 42,195 km. Wahnsinn. Wie man das durchhalten kann, ist für mich unvorstellbar. Ich wäre spätestens nach zwei Kilometern  fix und fertig. Ich glaube auch nicht, dass ich mich durch ein Training beißen könnte, um diese Distanz zumindest einmal irgendwann zu packen. Dabei würde ich schon einmal gerne das Gefühl erleben, oder die vielen verschiedenen Gefühle, die man während einer solchen Strapaze durchlebt. Ich glaube nämlich, dass ein Marathonläufer einiges fürs Leben lernt und einiges über das Leben erfährt, wenn er läuft. Der Schauspieler Dieter Hallervorden redet davon in dem Film „Sein letztes Rennen“. Da spielt er einen alten Mann, der mit seiner Frau im Altersheim landet. Endstation. Doch damit will er sich nicht abfinden. Er erinnert sich an seine Jugend, in der er Marathon gelaufen ist, bei den Olympischen Spielen. Und da beschließt er, noch einmal mit dem Training zu beginnen und den Berlinmarathon zu laufen. Da gibt es eine Szene, die mich sehr berührt hat. Die Pfleger, die Heimleitung, die Sozialarbeiterin im Heim: alle wollen ihm eintrichtern, dass er das lassen soll, dass er sein hohes Alter akzeptieren soll und die Tatsache, dass dies hier die letzte Station ist. Dabei kapieren sie nicht, dass der Marathonläufer viel weiter denkt als sie. Für ihn gibt es keine letzte Station. Sonst hätte er verloren. Für ihn geht es immer weiter. Er sagt: „Wissen Sie: das ganze Leben ist ein Marathon. Die ersten Schritte fallen immer leicht. Du glaubst, nichts kann dich stoppen. Dann kommen die Schmerzen. Deine Kräfte schwinden, Meter für Meter. Du glaubst, du kannst nicht mehr. Aber du läufst weiter. Immer weiter, bis zur totalen Erschöpfung. Und am Ende da steht der Sieg. Ganz sicher – der Sieg.“  Ja das glaube ich auch: nach einem Marathon hat jeder gewonnen. Nicht, weil sie alle auf dem Treppchen stehen. Sie sind Sieger, weil sie es geschafft haben. Ob es auch ein Bild für das Altwerden sein kann? Der Marathonläufer im Film ist ein Stehaufmännchen. „Weiter, immer weiter“ ist sein Motto.  Egal, was kommt. Wie gerne wünsche ich das all den Menschen, die alt und auf Hilfe angewiesen sind. Die in Heimen leben und wissen, dass dies die Endstation ist. Endstation? Der Marathonläufer sagt es anders: Am Ende da steht der Sieg. Ganz sicher – der Sieg.

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