SWR3 Gedanken

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Nachrufe - die liest man normalerweise über Leute die reich oder mächtig sind, oder die irgendwie öffentlich auftreten.

Es gibt aber auch Nachrufe über ganz normale Menschen, die gerade gestorben sind. Lesen kann man sie auf der Homepage des Berliner Tagesspiegels.

Da lese ich zum Beispiel von einer 87-jährigen Dame, die es als Jugendliche geschafft hat, sich von ihrem strengen Vater zu lösen. Dann hat sie ihr Leben selbst in die Hand genommen. Sie hat geheiratet, Kinder bekommen, ihren Mann beerdigen müssen und den kleinen Familienbetrieb allein weiter geführt. Sie hat ihre Pläne immer wieder über den Haufen schmeißen müssen. Zum Schluss ist sie zu ihren Kindern nach Berlin gezogen. Obwohl die so ganz anders denken, als sie.

Eine Geschichte, die das Leben schreibt. Die Nachrufeseite des Tagesspiegels versucht, diese Geschichten aufzuspüren und festzuhalten.

Genau das reizt den verantwortlichen Redakteur David Ensikat an seiner Arbeit. Er darf tief eintauchen in das Leben ganz normaler Leute. Und beim Gespräch wird dann klar, dass es das gar nicht gibt, ganz normale Leute mit ganz normalen Leben. Jedes Leben ist eine einzigartige Geschichte, die aus vielen kleinen besteht. David Ensikat nimmt sich viel Zeit, hört zu und greift dann einen Punkt auf, über den er schreiben möchte. Das heißt, dass die Nachrufe nie ein ganzes Leben erzählen. Das geht auch gar nicht, sagt der Redakteur. Er sucht aus, was ihn reizt und dadurch für alle interessant sein könnte.

Ich lese diese Geschichten gerne. Ich finde es toll, dass da von Menschen erzählt wird, von denen es sonst keinen Nachruf geben würde.

Über jeden Menschen sollte so erzählt werden. Egal ob arm oder reich, erfolgreich oder nicht, in sich gekehrt oder ganz offen. Die Nachrufeseite ist viel wert, weil jedes Leben so unglaublich wertvoll ist.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22711
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