SWR4 Sonntagsgedanken RP

SWR4 Sonntagsgedanken RP

„Dann werden manche von den Letzten die Ersten sein und manche von den Ersten die Letzten.“ (Lk 13,30) Heute enden die Olympischen Spiele in Brasilien und ausgerechnet heute wird dieser biblische Satz in den katholischen Gottesdiensten vorgelesen. Der berühmte Satz Jesu von den Ersten, die die Letzten und von den Letzten, die die Ersten sein werden. Ist natürlich Zufall aber kein schlechter. Denn in den vergangenen zwei Wochen bei Olympia in Rio ging es immer um die Frage: Wer ist der Erste: Wer kann am schnellsten laufen, am weitesten werfen und am höchsten springen. Trotz der edlen olympischen Idee von „Dabei sein ist alles“, faktisch interessierte: Wer landet am Ende auf dem Treppchen, wer wird erster, zweiter oder dritter und holt damit für sich und sein Land eine Medaille. Und ich gebe zu, auch ich habe mich morgens früh dabei erwischt, wie ich beim Zeitungslesen erstmal auf den Medaillenspiegel geguckt habe. Da bürstet dieser biblische Satz von den Ersten und Letzten doch ganz schön gegen den Strich. Er ist ein biblischer Hieb in meine Seite, der mir sagt: Jesus geht es nicht um die Ersten, die Sieger, die Champions. Ihm geht es um die Letzten, die Verlierer, um die sich keiner kümmert.  

Wer bei Olympia gewinnt, den Sprung auf das Treppchen schafft, der hat einen Platz im Olymp sicher – im Götterhimmel der Sportler.  Aber im Himmel, um den es Jesus geht, ist er deshalb nicht gelandet. Da gelten andere Gesetze: Da werden die Ersten die Letzten und die Letzten die Ersten sein. Das klingt jetzt vielleicht nach einer billigen Vertröstung: Nach dem Motto: Mach Dir nichts draus, wenn Du hier auf Erden zu den Verlierern gehörst, im Himmel zählst du dafür zu den Gewinnern. Aber Vertröstung ist das nur, wenn man so tut, als ob  Himmel und Erde nichts miteinander zu tun hätten. Das ist aber nicht die Botschaft Jesu. Er betont immer wieder: Der Himmel, das Reich Gottes, hat hier auf der Erde zu beginnen. „Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit“ (Mt 6,33) fordert er von seinen Leuten. Anders ausgedrückt: Versucht immer wieder ein Stück Himmel auf die Erde zu holen. Stellt die Verlierer in den Vordergrund, kümmert euch um die, die nicht zu den Gewinnern gehören.  Also denke ich heute Morgen am Ende der Olympischen Spiele mal nicht an die Medaillengewinner, die konnten sich schon genug im Glanz ihrer Medaillen sonnen. Sondern an die, die den Sprung auf das Treppchen nicht geschafft haben. Sie haben ernst gemacht mir dem Satz: „Dabei sein ist alles“. Sie verdienen es, dass man auch ihren Einsatz würdigt. Aber ich denke nicht nur an die sportlichen Verlierer, sondern auch an viele Bewohner von Rio de Janeiro, die eher zu den Verlierern gehören.

Die Brasilianer sind ein Feier freudiges Volk. Sie können ausgelassen sein, tanzen, singen und gute Laune verbreiten, die einfach ansteckt. Von daher ein ideales Volk für die Olympischen Spiele, bei denen es ja auch auf die Atmosphäre, die Stimmung ankommt. Aber diese Ausgelassenheit und Freude der Brasilianer sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele von ihnen  zu den Verlierern von Olympia gehören. Da sind im Vorfeld Menschen von ihrem Land vertrieben worden, da wurden Wohnungen und Häuser platt gemacht, nur um Sportstätten zu bauen. Und natürlich hat es meist die getroffen, die eh nicht viel hatten. Und das viele Geld, das für Olympia verbaut wurde, fehlt natürlich an allen Ecken, insbesondere für soziale Maßnahmen. Schon lange vor den Olympischen Spielen haben sich deshalb viele katholische Einrichtungen in Deutschland zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund und dem Deutschen Behindertensportverband zusammengetan und die Aktion „Rio bewegt uns“ gegründet. Mit im Boot sitzen auch brasilianische Partner, unter anderem die Erzdiözese von Rio de Janeiro. Die Aktion ist nicht gegen die Olympischen Spiele, sondern sie will erreichen, dass auch die Armen in Rio was von Olympia haben. „Rio bewegt uns“ für viele Menschen in Deutschland gilt das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn sie organisieren Spendenläufe quer durch die Republik und unterstützen mit dem gesammelten Geld soziale Projekte in Rio. Denn noch immer ist Rio die Stadt der zwei Gesichter. Großer Reichtum direkt neben bitterster Armut. In den Favelas, den vielen Armenvierteln der Stadt  gibt es keine gepflasterten Straßen, keine Müllabfuhr und nur selten Strom.

Hier lebt der Großteil der Bewohner von Rio. Die meisten von ihnen sind schwarz, haben Gelegenheitsjobs und nur zwei Zimmer für ihre fünfköpfige Familie. Sie arbeiten als Putzfrauen, Busfahrer oder Strandverkäufer. Das sind sie die Letzten, von denen Jesus spricht. Ihnen gelten die Projekte von „Rio bewegt uns“. Überall dort, wo sie zu den Ersten werden, wo sie im Vordergrund stehen, da geschieht er, der Himmel, das Reich Gottes. Immer wieder, jeden Tag neu, wenn auch oft nur im Verborgenen. Und das schöne: Er geschieht in Rio sogar bei den Olympischen Spielen. „Rio bewegt uns“ sei dank.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22537
weiterlesen...