SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Teil 1: Unsicherheit und die Suche nach schnellen Antworten

Kondensstreifen von Flugzeugen am Himmel: Sind das gefährliche „Chemiespuren“, mit denen wir alle vergiftet – oder zumindest manipuliert werden sollen? Gibt es „das ganz große Ding“, das da angeblich zwischen Politik, Medien und Polizei ausbaldowert wird, um uns „die eigentliche Wahrheit“ vorzuenthalten? Verschwörungstheorien scheinen wieder in Mode zu sein. Immer wieder tauchen sie in Variationen auf, füllen bis heute Bücher und finden zum Teil faszinierte Abnehmer. Außerirdische Einflüsse oder ganz irdische Verschwörerbanden: Die Theorien wollen das erklären, was uns hier zu schaffen macht. Und sie klingen nur zu oft recht abenteuerlich. Man kann sich in den meisten Fällen darüber amüsieren. Man kann den sprichwörtlichen „Aluhut“ aufsetzen, den Hut aus Aluminium. Der soll ja gegen die kosmischen Strahlen und die Telepathie helfen, die die Verschwörungstheoretiker so fürchten. Man kann es auch lassen. Verschwörungstheorien sind nämlich mit ihren Aluhüten im wahrsten Sinn des Wortes ein „alter Hut“, auch wenn sie in immer neuen Moden daherkommen. Durch alle Jahrhunderte schon gab es sie, spielten oft mit der Angst vor dem Weltuntergang. Und: Wir leben noch!

Gemeinsam ist solchen Theorien, dass sie das mit einfachen Worten eingängig zu erklären versuchen, was uns Menschen Sorge macht, weil wir es nicht verstehen. Oft schwarz-weiß, schlicht mit Gut und Böse. Je verunsicherter und ängstlicher jemand ist – vielleicht unbewusst -, desto anfälliger ist er für populistische Antworten. Und manchmal gibt es dann einen Sündenbock, um die eigene Ängstlichkeit und Enge zu verstecken: „die Illuminaten“, „die Freimaurer“, „die Juden“, „der Islam“. Manche kommen scheinbar in der komplizierten Welt ohne Sündenböcke nicht mehr klar, fühlen sich bedroht und benachteiligt. Dann einen Sündenbock zu benennen, der angeblich an allem schuld ist, kann vordergründig entlasten. Aber dann wird es schnell menschenverachtend, weil der Weg zu Rassismus und Hetze gebahnt wird. Auch hier gilt: Wehret den Anfängen!

Wer schnelle und scheinbar einleuchtende Antworten auf schwierige Fragen gibt, der macht sich verdächtig. Komplexe Fragen können keine einfachen Antworten haben – das sagt schon die Vernunft, auf die sich viele dieser Theorien angeblich doch stützen wollen. Da schalten manche anscheinend doch den „gesunden Menschenverstand“ gerne aus – selbst wenn sie sich noch so ausdrücklich darauf berufen. Aber so einfach ist die Welt nicht. Das macht es so anstrengend.

Teil 2: Fürchte dich nicht

Heute geht es in den Sonntagsgedanken um Verschwörungstheorien und das Spiel mit der Sorge der Menschen.

Natürlich sind nicht alle diese Theorien gefährlich. Manche bieten auch spannende Unterhaltung, etwa in Buchform. Wie zum Beispiel das Buch „Illuminati“ von Dan Brown; das Buch, in dem eine große Vatikan-Verschwörung beschrieben wird. Spannender Lesestoff. Aber eben nur Unterhaltung. Keine Welterklärung.

Wie gesagt: Schon immer wollten wir Menschen das erklären, was wir nicht direkt verstehen: Warum donnert und blitzt es am Himmel? Warum gibt es Leid in der Welt? Warum gibt es Krankheiten? Es ist ein Gefühl der Ohnmacht, das nach Antwort sucht: Die Urangst des Menschen, sich nicht behaupten zu können, zu kurz zu kommen, gar das Leben vorzeitig zu verlieren. Aber was ist dann eine Antwort, die nicht mit der Angst spielt? Eine Antwort, die nicht andere klein machen muss, um selbst besser da zu stehen? Eine Antwort, die wirklich hilft und nicht noch mehr verunsichert? Die die Angst nimmt und nicht noch schürt?

Es mag etwas altmodisch klingen. Aber oft gibt es ein schlichtes „Gegenmittel“ gegen solche zerstörerische Ohnmacht, die nicht selten zur Aggression führt. Es ist das Vertrauen: Wo die Welt scheinbar aus den Fugen gerät, wo der Mensch scheinbar hilflos dem Spiel der Macht und der Mächtigen ausgeliefert ist, da hilft dieses Grundgefühl des Vertrauens umso mehr. Nicht als naives Glauben an das, was einem andere sagen und weismachen wollen. Sondern als sicheres Fundament, das einen nicht so leicht ins Wanken bringt im Leben. So ein Vertrauen kann man nicht machen, das kann man nur wirken lassen. Es ist schon da, von Kindheit an. Es muss manchmal nur neu entdeckt werden – Vertrauen zu mir selbst und zum Menschen neben mir. Das macht verletzlich und doch – so komisch das klingt – das macht unendlich stark.

Als Christ nenne ich dieses Urvertrauen auch Gottvertrauen. Dass es von Anfang an einen gibt, der über den Dingen steht, der es gut mit uns meint, auch wenn wir nicht jedes Detail und jeden einzelnen Schritt verstehen. Mit Gottvertrauen erkenne ich an, dass ich nicht alles selbst regeln kann auf dieser Welt. Dass ich aber auch nicht alles erklären können muss, sondern wirklich vertrauen darf, dass es am Ende gut wird. Niemand kann tiefer fallen als in Gottes Hand. Damit lässt sich leben. Und damit lässt sich gut leben. Solches Gottvertrauen ist alles andere als naiv. Ich bin sicher: Es hilft mehr als jeder Aluhut. Die klare Botschaft aus der Bibel lautet - uralt und täglich aktuell: „Fürchte dich nicht. Ich bin bei dir!“ (nach Jes 41,10) Gott sei Dank!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22257
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